Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
liebsten hatte und die jüngste nicht leiden konnte. Daher schickte sie das arme Mädchen oft hinaus in einen großen Wald, um es sich vom Hals zu schaffen, denn sie dachte es würde sich verirren und nimmermehr wieder kommen. Aber der Schutzengel, den jedes fromme Kind hat, verließ es nicht, sondern brachte es immer wieder auf den rechten Weg. Einmal indessen tat das Schutzenglein als wenn es nicht bei der Hand wäre, und das Kind konnte sich nicht wieder aus dem Walde herausfinden.
Es ging immer fort bis es Abend wurde, da sah es in der Ferne ein Lichtchen brennen, lief darauf zu und kam vor eine kleine Hütte. Es klopfte an, die Türe ging auf, und es gelangte zu einer zweiten Türe, wo es wieder anklopfte. Ein alter Mann, der einen schneeweißen Bart hatte und ehrwürdig aussah, machte ihm auf, und das war niemand anders als der heilige Joseph. Er sprach ganz freundlich »komm, liebes Kind, setze dich ans Feuer auf mein Stühlchen und wärme dich, ich will dir klar Wässerchen holen, wenn du Durst hast; zu essen aber hab ich hier im Walde nichts für dich als ein paar Würzelcher, die musst du dir erst schaben und kochen.«
Da reichte ihm der heilige Joseph die Wurzeln: das Mädchen schrappte sie säuberlich ab, dann holte es ein Stückchen Pfannkuchen, und das Brot, das ihm seine Mutter mitgegeben hatte, und tat alles zusammen in einem Kesselchen beis Feuer, und kochte sich ein Mus. Als das fertig war, sprach der heilige Joseph »ich bin so hungrig, gib mir etwas von deinem Essen.«
Da war das Kind bereitwillig und gab ihm mehr als es für sich behielt, doch war Gottes Seegen dabei, dass es satt ward. Als sie nun gegessen hatten, sprach der heilige Joseph »nun wollen wir zu Bett gehen: ich habe aber nur Ein Bett, lege du dich hinein, ich will mich ins Stroh auf die Erde legen.«
»Nein«, antwortete es, »bleib du nur in deinem Bett, für mich ist das Stroh weich genug.«
Der heilige Joseph aber nahm das Kind auf den Arm und trug es ins Bettchen, da tat es sein Gebet und schlief ein. Am andern Morgen, als es aufwachte, wollte es dem heilige Joseph guten Morgen sagen, aber es sah ihn nicht. Da stand es auf und suchte ihn, konnte ihn aber in keiner Ecke finden: endlich gewahrte es hinter der Tür einen Sack mit Geld, so schwer, als es ihn nur tragen konnte, darauf stand geschrieben das wäre für das Kind, das heute Nacht hier geschlafen hätte. Da nahm es den Sack und sprang damit fort und kam auch glücklich zu seiner Mutter, und weil es ihr alle das Geld schenkte, so konnte sie nicht anders, sie musste mit ihm zufrieden sein.
Am folgenden Tag bekam das zweite Kind auch Lust in den Wald zu gehen. Die Mutter gab ihm ein viel größer Stück Pfannkuchen und Brot mit. Es erging ihm nun gerade wie dem ersten Kinde. Abends kam es in das Hüttchen des heiligen Joseph, der ihm Wurzeln zu einem Mus reichte. Als das fertig war, sprach er gleichfalls zu ihm »ich bin so hungerig, gib mir etwas von deinem Essen.«
Da antwortete das Kind »iß als mit.«
Als ihm danach der heilige Joseph sein Bett anbot und sich aufs Stroh legen wollte, antwortete es »nein, leg dich als mit ins Bett, wir haben ja beide wohl Platz darin.«
Der heilige Joseph nahm es auf den Arm, legte es ins Bettchen und legte sich ins Stroh. Morgens, als das Kind aufwachte und den heiligen. Joseph suchte, war er verschwunden, aber hinter der Türe fand es ein Säckchen mit Geld, das war händelang, und darauf stand geschrieben es wäre für das Kind, das heute Nacht hier geschlafen hätte. Da nahm es das Säckchen und lief damit heim, und brachte es seiner Mutter, doch behielt es heimlich ein paar Stücke für sich.
Nun war die älteste Tochter neugierig geworden und wollte den folgenden Morgen auch hinaus in den Wald. Die Mutter gab ihr Pfannkuchen mit, so viel sie wollte, Brot und auch Käse dazu. Abends fand sie den heiligen Joseph in seinem Hüttchen gerade so, wie ihn die zwei andern gefunden hatten. Als das Mus fertig war und der heilige Joseph sprach: »ich bin so hungerig, gib mir etwas von deinem Essen«, antwortete das Mädchen »warte, bis ich satt bin, was ich dann überig lasse, das sollst du haben.«
Es aß aber beinah alles auf und der heilige Joseph musste das Schüsselchen ausschrappen. Der gute Alte bot ihm hernach sein Bett an und wollte auf dem Stroh liegen, das nahm es ohne Widerrede an, legte sich in das Bettchen und ließ dem Greis das harte Stroh. Am andern Morgen, wie es
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