Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
einmal eine arme Frau mit zwei Kindern. Das jüngste musste jeden Tag in den Wald zum Holzsammeln. Als es einmal besonders weit in den Wald gegangen war, kam ein kleines, aber starkes Kind des Weges und half voller Fleiß beim Sammeln und Nachhausebringen. Aber auf einmal war das fremde Kind verschwunden. Das Kind erzählte der Mutter davon. Aber diese wollte zunächst kein Wort glauben. Schließlich brachte es eine Rose heim und erzählte der Mutter, dass das wunderschöne Kind sie ihr gegeben hätte mit den Worten, dass es einstmals zurückkehren würde, wenn die Rose voll erblüht. Die Mutter tat die Rose in Wasser stellen. Eines Morgens kam ihr Kind nicht aus dem Bette. Da schaute die Mutter nach und fand ihr Kind tot, aber glücklich blickend. Noch am selben Tag war die Rose voll erblüht.
Armut und Demut führen zum Himmel
E s war einmal ein Königssohn, der ging hinaus in das Feld und war nachdenklich und traurig. Er sah den Himmel an, der war so schön rein und blau, da seufzte er und sprach: »wie wohl muss einem erst da oben im Himmel sein!«
Da erblickte er einen armen greisen Mann, der des Weges daherkam, redete ihn an und fragte: »wie kann ich wohl in den Himmel kommen?«
Der Mann antwortete: »durch Armut und Demut. Leg an meine zerrissenen Kleider, wandere sieben Jahre in der Welt und lerne ihr Elend kennen: nimm kein Geld, sondern wenn du hungerst, bitt mitleidige Herzen um ein Stückchen Brot, so wirst du dich dem Himmel nähern.«
Da zog der Königssohn seinen prächtigen Rock aus und hing dafür das Bettlergewand um, ging hinaus in die weite Welt und duldete groß Elend. Er nahm nichts als ein wenig Essen, sprach nichts, sondern betete zu dem Herrn, dass er ihn einmal in seinen Himmel aufnehmen wollte. Als die sieben Jahre herum waren, da kam er wieder an seines Vaters Schloss, aber niemand erkannte ihn. Er sprach zu den Dienern »geht und sage meinen Eltern, dass ich wiedergekommen bin.«
Aber die Diener glaubten es nicht, lachten und ließen ihn stehen. Da sprach er: »geht und sagts meinen Brüdern, dass sie herabkommen, ich möchte sie so gerne wiedersehen.«
Sie wollten auch nicht, bis endlich einer von ihnen hinging und es den Königskindern sagte, aber diese glaubten es nicht und bekümmerten sich nicht darum. Da schrieb er einen Brief an seine Mutter und beschrieb ihr darin all sein Elend, aber er sagte nicht, dass er ihr Sohn wäre. Da ließ ihm die Königin aus Mitleid einen Platz unter der Treppe anweisen und ihm täglich durch zwei Diener Essen bringen. Aber der eine war bös und sprach: »was soll dem Bettler das gute Essen!«, behielts für sich oder gabs den Hunden und brachte dem Schwachen, Abgezehrten nur Wasser; doch der andere war ehrlich und brachte ihm, was er für ihn bekam.
Es war wenig, doch konnte er davon eine Zeitlang leben; dabei war er ganz geduldig, bis er immer schwächer ward. Als aber seine Krankheit zunahm, da begehrte er das heilige Abendmahl zu empfangen. Wie es nun unter der halben Messe ist, fangen von selbst alle Glocken in der Stadt und in der Gegend an zu läuten. Der Geistliche geht nach der Messe zu dem armen Mann unter der Treppe, so liegt er da tot, in der einen Hand eine Rose, in der anderen eine Lilie, und neben ihm ein Papier, darauf steht seine Geschichte auf geschrieben. Als er begraben war, wuchs auf der einen Seite des Grabes eine Rose, auf der anderen eine Lilie heraus.
Gottes Speise
E s waren einmal zwei Schwestern, die eine hatte keine Kinder und war reich, die andere hatte fünf Kinder und war eine Witwe und war so arm, daß sie nicht mehr Brot genug hatte, sich und ihre Kinder zu sättigen. Da ging sie in der Not zu ihrer Schwester und sprach: »Meine Kinder leiden mit mir den größten Hunger, du bist reich, gib mir einen Bissen Brot.«
Die Steinreiche war auch steinhart, sprach: »Ich habe selbst nichts in meinem Hause«, und wies die Arme mit bösen Worten fort. Nach einiger Zeit kam der Mann der reichen Schwester heim und wollte sich ein Stück Brot schneiden; wie er aber den ersten Schnitt in den Laib tat, floß das rote Blut heraus. Als die Frau das sah, erschrak sie und erzählte ihm, was geschehen war. Er eilte hin und wollte helfen; wie er aber in die Stube der Witwe trat, so fand er sie betend; die beiden jüngsten Kinder hatte sie auf den Armen, die drei ältesten lagen da und waren gestorben. Er bot ihr Speise an, aber sie antwortete: »Nach irdischer Speise verlangen wir
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