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Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Braig & Neundorf 12: Schwabenehre

Titel: Braig & Neundorf 12: Schwabenehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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1. Kapitel
    Der auffallend breite, in einen feinen dunklen Anzug gehüllte Rücken eines Mannes war das Erste, was Braig wahrnahm, als er die Toilette betrat. Größe 116 oder 120, falls es die überhaupt gibt, irgendeine Spezialanfertigung jenseits von XXL, schoss es ihm durch den Kopf, als er die wuchtige Figur vor sich hatte. Ob der in eine der schmalen Kabinen passt? Oder – was eher zu vermuten war – schon im Türrahmen stecken bleibt?
    Er betrachtete die Umrisse des Breitschultrigen, sah die blaugrauen Schwaden, die von ihm aufstiegen. Intensiver Zigarettenqualm hing in der Luft. Der Mann schien keinen Hals zu besitzen, sein Kopf ruhte unmittelbar auf seinen Schultern. Alles an ihm wirkte klobig. Der Halslose starrte in eine der Kabinen, seinen Kopf wie bei der lautlosen Verneinung einer Frage unruhig hin und her bewegend, als könne er nicht glauben, was dort zu sehen war.
    Braig trat einen Schritt zur Seite, versuchte, einen Blick ins Innere zu erhaschen. Es war unmöglich, der gewaltige Leib des Mannes versperrte jede Sicht.
    Ein Toter in einer Toilette der Liederhalle, hatte man ihn informiert. Sie müssen sich darum kümmern. Sofort und mit äußerster Diskretion. Es läuft gerade ein wichtiger Kongress. Nicht, dass es zu viel Aufsehen gibt.
    Steffen Braig, seit vielen Jahren als Kriminalhauptkommissar beim Stuttgarter Landeskriminalamt tätig, war sich der Brisanz des Falles von Anfang an bewusst. Die Stuttgarter Liederhalle war seit Jahrzehnten eines der, wenn nicht sogar das renommierteste Kultur- und Kongresszentrum nicht nur der Landeshauptstadt, sondern des gesamten Bundeslandes. Tagungen und Konzerte, die hier angeboten wurden, genossen allein schon der Lokalität wegen einen besonderen Status. Wer immer sein Image aufzupolieren gedachte, gab sich als Besucher einer der zahlreichen Veranstaltungen der Liederhalle zu erkennen – heute wie seit Jahrzehnten eine beliebte Gepflogenheit der Bürger fast des gesamten Ländles, Kultur zu genießen und zugleich das eigene Renommee nachhaltig zu verbessern.
    Der mitten im Zentrum Stuttgarts gelegene Komplex war in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als weltweit gelobte Meisterleistung der Architektenkoryphäen Rolf Gutbrod und Adolf Abel anstelle des 1864 erbauten und 1944 durch Bombenangriffe zerstörten Vorgängergebäudes als deutlich von expressionistischen Strukturen geprägtes Konzerthaus errichtet und 1991 durch einen vom Gutbrod-Schüler Henning kreierten Neubau ergänzt worden. Beethoven-, Hegel-, Mozart-, Schiller- und Silchersaal galten ebenso wie die zahlreichen Tagungsräume als Musterbeispiele gelungener Architektur, warteten zudem bis in die letzten Winkel mit perfekter Akustik auf. Tag für Tag zogen sie Tausende von Kongress- und Konzertbesuchern an. Die geniale Gestaltung des gesamten Komplexes hatte unzählige Kulturbeauftragte und Städteplaner auf der ganzen Welt zu dem Versuch veranlasst, die Liederhalle zu kopieren, zumindest ihre zentralen Strukturen zu übernehmen – nirgendwo jedoch, so das weitgehend einhellige Urteil der Fachleute, mit der Perfektion, die das Original zu einem so einzigartig gelungenen Kunst- und Musentempel hatte gedeihen lassen. Dass es den Managern dieser Kulturhochburg in einer Zeit immer neuer geistiger Tiefschläge und alle paar Wochen nicht mehr nur von privaten Fernsehsendern mit großem medialen Getöse inszenierten Verblödungsaktionen gelungen war, sich den auf ein kaum mehr zu unterbietendes Fäkalniveau zusteuernden Unterhaltungstendenzen wirkungsvoll zu widersetzen und dem seit Jahrzehnten bewährten, auf der Klassik gründenden Ideal weitgehend treu zu bleiben, hatte den Ruf der Institution weiter gefestigt. Einem Fels in der Brandung gleich schien das Kultur- und Kongressangebot der Liederhalle bis auf den heutigen Tag unangefochten aus der unübersehbaren Flut der belanglose Nichtig- und Geschmacklosigkeiten plärrenden Hohlköpfe und Dummschwätzer zu ragen.
    Kein Wunder, dass Braig bei der Nachricht vom Fund eines Toten an diesem Ort sofort hellhörig geworden war und sich auf dem schnellsten Weg zu dem mitten im Zen­trum Stuttgarts gelegenen Gebäudekomplex aufgemacht hatte.
     
    Sein um einen Tag verlängertes Wochenende war überaus zufriedenstellend verlaufen. Am Samstag der Besuch eines Konzerts seiner Lieblings-Folkrockband Wendrsonn im Staufer-Schulzentrum in Waiblingen, gemeinsam mit seiner hochschwangeren Lebensgefährtin. Ihr erstes Wendrsonn-Erlebnis, hatte

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