Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
hatte, erschrak sie so, dass sie von ihrem Stühlchen herab glitschte und die Milch verschüttete. Sie lief in der größten Hast zu ihrem Herrn und rief: »ach Gott, Herr Pfarrer, die Kuh hat geredet.«
»Du bist verrückt«, antwortete der Pfarrer, ging aber doch selbst in den Stall nachzusehen, was vor wäre. Aber kaum hatte er den Fuß hineingesetzt, so rief Daumesdick eben aufs neue »bringt mir kein frisch Futter mehr, bringt mir kein frisch Futter mehr.«
Da erschrak der Pfarrer selbst, meinte, es wäre ein böser Geist und hieß die Kuh töten. Nun ward sie geschlachtet, der Magen aber worin Daumesdick steckte, ward auf den Mist geworfen. Daumesdick suchte sich hindurch zu arbeiten, und hatte große Mühe damit, doch endlich brachte er es so weit, dass er Platz bekam, aber, als er eben sein Haupt herausstrecken wollte, kam ein neues Unglück. Ein hungriger Wolf sprang vorbei und verschlang den ganzen Magen mit einem Schluck. Daumesdick verlor den Mut nicht, »vielleicht«, dachte er, »lässt der Wolf mit sich reden«, und rief ihm aus dem Wanste zu: »lieber Wolf, ich weiß dir einen herrlichen Fraß.«
»Wo ist der zu holen?«, sprach der Wolf. »In dem und dem Haus, da musst du durch die Gosse hinein kriechen und wirst Kuchen, Speck und Wurst finden, so viel du essen willst«, und beschrieb ihm genau seines Vaters Haus. Der Wolf ließ sich das nicht zweimal sagen, drängte sich in der Nacht zur Gosse hinein und fraß in der Vorratskammer nach Herzenslust. Als er satt war, wollte er wieder fort, aber er war so dick geworden, dass er denselben Weg nicht wieder hinaus konnte. Darauf hatte Daumesdick gerechnet und fing nun an in dem Leib des Wolfs einen gewaltigen Lärmen zu machen, tobte und schrie, was er konnte.
»Willst du stille sein«, sprach der Wolf, »du weckst die Leute auf.«
»Ei was«, antwortete der Kleine, »du hast dich satt gefressen, ich will mich auch lustig machen«, und fing von neuem an aus allen Kräften zu schreien. Davon erwachte endlich sein Vater und seine Mutter, liefen an die Kammer und schauten durch die Spalte hinein. Wie sie sahen, dass ein Wolf darin hauste, liefen sie davon, und der Mann holte die Axt, und die Frau die Sense.
»Bleib dahinten«, sprach der Mann, als sie in die Kammer traten, »wenn ich ihm einen Schlag gegeben habe und er davon noch nicht tot ist, so musst du auf ihn einhauen und ihm den Leib zerschneiden.« Da hörte Daumesdick die Stimme seines Vaters und rief: »lieber Vater, ich bin hier, ich stecke im Leibe des Wolfs.«
Sprach der Vater voll Freuden »gottlob, unser liebes Kind hat sich wieder gefunden«, und hieß der Frau die Sense wegtun, damit Daumesdick nicht beschädigt würde. Danach holte er aus und schlug dem Wolf einen Schlag auf den Kopf, dass er tot niederstürzte: dann suchten sie Messer und Schere, schnitten ihm den Leib auf und zogen den Kleinen wieder hervor. »Ach«, sprach der Vater, »was haben wir für Sorge um dich ausgestanden!«
»Ja, Vater, ich bin viel in der Welt herumgekommen; gottlob, dass ich wieder frische Luft schöpfe.«
»Wo bist du denn all gewesen?«
»Ach Vater, ich war in einem Mauseloch, in einer Kuh Bauch und in eines Wolfes Wanst: nun bleib ich bei euch.«
»Und wir verkaufen dich um alle Reichtümer der Welt nicht wieder.« Da herzten und küssten sie ihren lieben Daumesdick, gaben ihm zu essen und trinken und ließen ihm neue Kleider machen, denn die seinigen waren ihm auf der Reise verdorben.
Von der Serviette, dem Tornister, dem Kanonenhütlein und dem Horn
E s waren drei Brüder aus dem Schwarzenfelsischen, von Haus sehr arm, die reisten nach Spanien, da kamen sie an einen Berg, der ganz von Silber umgeben war. Der älteste Bruder machte sich bezahlt, nahm so viel als er nur tragen konnte, und ging mit seiner Beute nach Haus.
Die andern zwei reisten weiter fort und kamen zu einem Berg, wo nichts als Gold zu sehen war. Nun sprach der eine zu dem andern: »wie sollen wir es machen?« und der zweite nahm sich auch soviel Gold als er nur tragen konnte und ging nach Haus; der dritte aber wollte sein Glück noch besser versuchen und ging weiter fort. Nach drei Tagen kam er in einen ungeheuren Wald, da hatte er sich müd gegangen, Hunger und Durst plagten ihn, und er konnte nicht aus dem Wald heraus.
Da stieg er auf einen hohen Baum und wollte sehen, ob er Waldes Ende finden mögte, er sah aber nichts als Baumspitzen; da wünschte er nur noch
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