Grippe

bekannter IRA-Aktivist, der eine Zeitlang wegen verschiedener Vergehen einsaß. Zwar konnten sie ihm kaum mehr als Waffenschieberei anhängen, doch dass er bis über beide Ohren im Verbrechenssumpf steckte, stand zweifelsfrei fest. Sein Fall sorgte für besonderen Aufruhr, und der Innenminister machte der Kammer die Hölle heiß, weil er Beweise sehen wollte. Gallagher behalf sich natürlich nur zu gern neuer Methoden, um die Informationen herauszukitzeln, welche ihre ach so hehren Friedensverhandlungen auf eine neue Stufe hieven sollten: Sie brauchten pikante Details aus dem Privatleben der Elite, um gewisse Politiker zu erpressen. Zu dumm, dass Pat nicht mitspielte. Da er ein Alteingesessener der IRA war, wussten sie, dass er ihnen eine Menge erzählen konnte. Das wollte er aber nicht, so rigoros Gallagher auch folterte – sowohl körperlich als auch seelisch –, um ihm sein Wissen abzuringen.
    »Ich würde Patrick zu gern wiedersehen.« Der Doktor seufzte wie in Erinnerung an einen alten Freund. »Damals ist so manches unerledigt liegengeblieben.«
    »Oh nein«, platzte Jackson heraus. »Diesen Mist mache ich nicht noch einmal mit.« Er ließ das Mikro fallen.
    »Das sagten Sie damals auch«, stichelte Gallagher, »nur um am Ende doch zu tun, was getan werden musste.«
    Der Private klickte sich durch eine Datei, während sie sich unterhielten. Jackson sah nervös zu, wie er die Einzelpunkte von Flynns Akte vor den Versammelten im Kontrollraum aufrollte, Uhrzeit und Datum der Befragungen sowie Gallaghers Verfahren während der ›Interviews‹.
    »Sie hatten meine –«
    »Tochter, Sir.« Gallagher nahm Jackson das Wort aus dem Mund. »Ich bin mir sicher, dass Ihnen hier niemand etwas vorwirft. Sie veranlassten das Notwendige, Sir. Niemand konnte abschätzen, was die Terroristen mit Ihrer Lieben getan hätten.« Er grinste altväterlich, als sei er ernstlich um das Wohlbefinden des Majors besorgt. »Möchten Sie sich nicht setzen, Sir? Sie sehen auf einmal so ungesund aus.«
    »Sie Dreckskerl!«, wetterte Jackson. »Die Kammer hat mich benutzt und wusste, aus welchen Gründen ich es tat! Aber Sie … welchen Zweck verfolgten Sie?!« Alle Augen verfolgten den Download der Datei mit, während der Textinhalt über den Monitor ratterte. Dazu gehörten auch diverse Bilder von Pat Flynn, seiner Frau und seines Sohnes Sean. Ein Foto benötigte längere Ladezeit; der Untertitel lautete schlicht »UR«.
    »Wissen Sie, was das Kürzel bedeutet, Private?«, fragte Gallagher.
    »N-nein, Sir«, stammelte der Mann verlegen. Man hätte die Luft im Raum schneiden können. Es war drückend heiß und stank. Der Schweiß ungewaschener Männer; allein Gallagher würde keinen Tropfen absondern, wie Jackson wusste.
    Der Doktor gab sich selbst die Antwort und klang dabei geradezu vergnügt: »Es steht für Ultima Ratio und geht auf unseren guten Major hier zurück. Der Verdächtige sollte soweit zermürbt werden, damit meine Methoden schneller Wirkung zeigten.« Er warf Jackson einen Blick zu. »Funktionierte es, Sir?«, heuchelte er Unwissen.
    »Lecken Sie mich.« Das noch pixelige Foto brannte sich in die Augen des Majors.
    »Gewiss«, fuhr Gallagher fort. Die grausame Szene sollte gleich im Vollbild erscheinen. »Verspürten Sie Genugtuung dabei, Sir?«, fragte er, indem er sich Jackson näherte. Dann streckte er Zeige- und Mittelfinger wie eine Pistole aus und hielt sie ihm an den Kopf. »Einen Jungen – sagen wir – kaltblütig zu erschießen?«
    Als der Download abgeschlossen war, hielten alle Anwesenden schlagartig den Atem an vor dem, was sie auf dem flimmernden Schirm sahen – den Leichnam eines Knaben von kaum sechzehn Jahren, zusammengesunken auf einem Stuhl mit einer Schusswunde im Kopf. Jackson konnte nicht hinsehen. Er stieß Gallagher von sich und schnappte sich eine Pistole auf dem Tisch. Der Doktor wich zurück und richtete sich auf, um Jackson, der den Lauf der Pistole langsam nach einem gedachten Fadenkreuz auf die Stirn des Mannes ausrichtete, kalt in die Augen zu starren. Gallagher schien keine Angst zu haben. Selbst im Angesicht des Todes zuckte dieser Satan nicht mit der Wimper, gab sich keine Blöße.
    Jackson jedoch spürte einen stechenden Schmerz, als ein gedämpfter Schuss die Stille durchbrach. Der Private am Schaltbrett hatte die Waffe gegen ihn erhoben.
    Jackson brach zusammen, seine Pistole polterte auf den staubigen Boden und blieb vor Gallaghers Füßen liegen. Er hechelte, während sein Herz wie