Größenwahn
Größe verbürgt, und das eigene Können stets nach richtigem Maß zu schätzen. Vornehmlich schwer, wenn die thörichte Blindheit der Welt mit ihren falschen Maßen mißt und daher verkannte Größe naturgemäß zu übertriebenem Selbstgefühle treibt.
Wohl würde die selbstbeschauliche Vorwegnahme seiner künftigen Größe in den prahlenden Aeußerungen des obscuren Kapitäns Bonaparte lächerlich wirken, wenn er auch nur um die Hälfte weniger groß gewesen und später durch unberechenbares Erfolgsübermaß sein Größenwahn nicht gleichsam gerechtfertigt worden wäre. Aber eine solche Gemüthsanlage mußte endlich doch zum Verderben umschlagen. Größenwahn im gewöhnlichen Sinne konnte ihn zwar nicht bezwingen, weil er ja wirklich so groß, aber dafür reifte denn in ihm der Cäsarenwahnsinn. So wird selbst die Größe denselben Gesetzen unterthan, wie die eitle Selbstsucht der Durchschnittsmenge , und auch sie richtet sich zu Grunde durch Uebermaß des Wollens.
Und da sollen die Menschen dann Schuld sein! »Wenn der Empereur die Menschen verachtete, so wird man jetzt wohl zugestehn, daß er seine Gründe dazu hatte!« So endet der krasse Egoismus überspannter Größe mit einer Anklage gegen den Egoismus der Kleineren!
Das Alles ist Thorheit. Die Menschen klagt nur Derjenige an, der sie nöthig hat. Der inneren Größe aber können die Cothurne der Pöbelwelt nicht einen Zoll hinzufügen noch hinwegnehmen. Wozu das Jammern und Schimpfen über eine Welt, die sich nach unabänderlichen Gesetzen dreht! Sie wird schon ihre Vorwärtsdränger selber finden. Du bist solch ein Held? Glaube es nicht! Denn wenn du es bist, so wird sich die Stunde schon finden, wo das Welt-Naturgesetz dich zu seinen Zwecken verbraucht. Jeder, der »eine Kraft«
(une force)
ist, wie der naturwissenschaftliche Zola dies nennt, wird auf den Punkt magnetisch hingezogen, wo er seine elektrischen Schläge austheilen kann. Und wem eine solche fruchtbare geologische Lage für seine chemische Kraftmischung sich nicht von selber unterschiebt, Der ist auch keine Kraft.
Scheitert jeder Versuch, den Strom der latenten Kraft frei zu machen, so bescheide man sich in stiller Gelassenheit, statt in nutzlosem Größenwahn den Rest seiner Kraft zu vergeuden. Für die Welt ist ja der Schade gering. Für jeden Untergehenden tauchen zehn Neue auf. Aber wohl bleibt es von unberechenbarsten Folgen und verzögert die Entwickelung der Menschheit, daß die geologischen Lagen absichtlich verschoben und die chemischen Zusammensetzungen hierdurch verwirrt werden, indem sie so ihre wahren logischen Lebensbedingungen verlieren. Diesen Einklang der geologischen Materie, der naturgemäßen Außenverhältnisse, zu der lebendigen wirkenden Kraft herzustellen, erscheint als die Triebfeder aller Revolutionen. Eine gewaltige »Kraft« wie Leonhart konnte zwar durch keine niederwuchtende Dumpfheit der Materie gehindert werden, sich ununterbrochen in elektrischen Schlägen zu entladen und sich rastlos durch Thaten kundzuthun. Daß aber den Sinn und die Bedeutung dieser Geistesemanationen nur so Wenige begriffen, lag theils in der zu schwächlichen Struktur seiner Materie-Hülle, welche die innere chemische Mischung oft dem rauhen Einfluß der Außenwelt preis gab, theils aber auch in der unnatürlichen Lage seiner geologischen Lebensbedingungen. Nicht in ihm steckte Unnatur, sondern grade er war ein logischer einfacher Naturbegriff, eine schlichte geschlossene Naturkraft. Unnatur beherrschte nur die Weltmaterie, in einen unorganischen Brei durcheinandergequirlt. Größenwahn eines mönchisch Cäsarenwahnsinnigen in seinem Alpenschloß; Größenwahn eines Zitterers an der Newa; Größenwahn des Gottesgnadendünkels allerorts, der taub und blind wähnt, das monarchische Prinzip auf den alten vermorschten Grundlagen retten zu können; unglaubliches Phosphoresziren verfaulten Adelsgerümpels überall – und dagegen der scheußliche Größenwahn der Anarchie, des Nihilismus, der Socialdemokratie, welche in ihren Dynamitbomben und Knüppeln die alleinseligmachende Panazee für den kranken Staatshaushalt gefunden glauben. Tobt euch nur aus, ihr Ich-Sucher, und macht aus Nichts ein Etwas! Das Ende trägt die Last. Ob sich der Geist des Bösen auf Erden nun als Fürst oder als Pfaffe vermummt, oder ob er als schnödes Pöbelregiment im Namen der Freiheit Verbrechen begeht, stets muß er gebändigt werden. Was Republik, was Monarchie! Das Schlechte muß zu Grunde gehen. Nie währt
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