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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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Meeresbrise, die über die Felsen strich, mochte einen Müller einst dazu bewogen haben, hier seinem Gewerbe nachzugehen, aber als heimelige Wohnstätte taugte der gedrungen wirkende Turm kaum. Allerdings war er ideal dazu geeignet, sich gegen ungebetene Gäste zu verschanzen, vor allem, weil nur ein schmaler, von oben aus gut einsehbarer Pfad auf den Felsen führte.
    Es war dem Halbling ein Rätsel, wie es Nemru und Meron trotzdem geschafft hatten, ungesehen bis zu dem Gebäude vorzudringen. Gut, sie waren die zerklüfteten Steilwände emporgestiegen, anstatt vom Festland aus zu kommen, aber alleine bei dem Gedanken daran, dass den beiden dabei nur fingerbreite Spalten als Halt gedient hatten, wurde Bero noch nachträglich schwindlig.
    Den beiden Elben hatte der gefährliche Aufstieg dagegen nichts ausgemacht. Beiderseits des Turms fest an die Mauer geschmiegt, warteten sie schon darauf, auch die glatte Fassade zu überwinden, um durch die offenen Luken im oberen Drittel ins Innere vorzudringen. Bevor sie diesen letzten, alles entscheidenden Schritt wagten, sollte Elra aber noch alle Aufmerksamkeit auf sich lenken.
    »Es ist Zeit«, wandte sie sich an den Halbling, der neben ihr die Deckung einiger Felsen nutzte. »Sobald jemand nach draußen tritt, sind meine Gefährten einer Entdeckung schutzlos ausgeliefert.«
    Bero wusste, dass er sich nicht länger zieren durfte, trotzdem sah er unbehaglich auf den Flechtkorb nieder, in den er steigen sollte. »Muss das wirklich sein?«, fragte er bereits zum fünften Mal.
    »Bitte! Wir sind das doch alles schon mehrfach durchgegangen …«
    Jedem anderen hätte er sicherlich noch einmal widersprochen, um noch einige Augenblicke Zeit herauszuschlagen, doch der hochgewachsenen Elbin mit dem fast weißblonden Haar konnte er einfach nichts abschlagen. Obwohl ihm sonst eher kleinere und vor allem drallere Frauen gefielen, brachte er ihr längst Gefühle entgegen, die weit über die Freundschaft zweier Reisegefährten hinausgingen.
    Ach, wenn sie doch nur nicht die ganzen Tage hindurch so freundlich zu ihm gewesen wäre. Seufzend kletterte er auf einen kleinen Vorsprung und stieg von dort aus in das aus Reisig gefertigte Geviert hinein. Elra hielt schon einige Tücher und den Deckel in Händen, als Bero noch einmal den Kopf nach draußen reckte.
    »Du bist viel netter als deine beiden Kameraden«, erklärte er mit großem Ernst. »Das wollte ich dir nur sagen, bevor es vielleicht zu spät ist.«
    Seine Worte erfreuten sie, das war deutlich zu sehen. »Mag sein«, schwächte sie trotzdem ab. »Vielleicht liegt das daran, dass ich weiß, wie herablassend Elben oft auf andere wirken, selbst wenn sie es nicht so meinen. Ich bin nämlich selbst nur ein Halbblut, musst du wissen.«
    »Ein Halbling?«, fragte Bero verdattert. »Aber du bist doch genauso groß wie Nemru und Meonis!«
    »Ein Halbblut«, verbesserte Elra geduldig. »Mein Vater war ein Elbe, doch meine Mutter ein ganz normaler Mensch.«
    Bero nickte verstehend. »Sicher bist du ihnen deshalb nur halb so viel wert wie ein richtiger Elbe?«
    »Genau das bekam ich häufig zu spüren«, gestand Elra ein. Die Bitterkeit, die sich bei diesen Worten in ihre Stimme schlich, verschwand jedoch sofort wieder, als sie hinzufügte: »Aber glaub mir, manchmal kommt es gerade auf jene an, die wie wir anders sind als die meisten. Denn auch reinblütige Elben sind nicht ohne Fehl und Tadel, obwohl das viele von ihnen gerne von sich selbst glauben.«
    Es war ihm klar, worauf sie dabei anspielte. Doch jetzt war nicht die Zeit, noch einmal über den Handschuh von Vendor zu sprechen. Gehorsam machte er sich so klein wie möglich und ließ es sich gefallen, dass Elra einige Tücher über ihn warf und den Korb mit dem Deckel verschloss.
    Bero schob den störenden Stoff aus seinem Gesicht, noch ehe Elra die Tragegurte überstreifte und sich erhob. Trotz ihrer schmalen Gestalt wuchtete sie das Gewicht auf ihrem Rücken mühelos in die Höhe und machte sich auf den Weg. Zu Beros Freude vermochte er durch die Lücken im Flechtwerk recht gut nach draußen zu sehen. So konnte er beobachten, wie Nemru und Meron dünne Seile in die Höhe warfen, die sich wie lebende Schlangen durch die Luft wanden und mit ihren losen Enden um vorstehende Balken oder aus dem Mauerwerk ragende Haken wickelten.
    Elben verstanden sich nun mal auf Magie, das war Bero schon klar geworden, als er von Vendors Handschuh gehört hatte. Geschmeidig glitten Nemru und Meonis die Fassade

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