Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)
hatte er in seinem Leben schon manche Wirtshausprügelei miterlebt und sich bei solchen Gelegenheiten auch der eigenen Haut zu wehren gewusst, aber was hier geschah, übertraf alles, was er sich vorstellen konnte.
Die Mächte, die hier walteten, waren eindeutig zu groß für ihn. Das spürte er genau. Selbst die Elben schienen ihnen nicht gewachsen zu sein …
Zwar sprang nun Meron zwischen die verbliebenen Schergen, um Elra zu entlasten, doch gleich darauf stand er ihnen alleine gegenüber, weil die Elbin die Atempause sogleich dazu nutzte, Vendors Handschuh zu packen, während dieser noch seinen Arm freizuzerren versuchte. Sein Versuch, die Rechte zur Faust zu ballen, scheiterte. Unter Aufbietung aller Kräfte riss Elra ihm das goldene Ungetüm von der Hand. Doch anstatt den Handschuh sofort fortzuschleudern oder sich damit davonzumachen, erstarrte sie mitten in der Bewegung.
Vendor lachte höhnisch, während Elra sichtlich mit sich rang.
»Siehst du?«, schrie er sie an, während sein Arm Stück für Stück den Pfeilschaft hinaufwanderte. »Ich sagte doch, dass es dir nicht besser ergehen wird als jedem anderen. Der Wunsch nach Macht und Herrschaft schlummert in jedem Einzelnen von uns, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen!«
Obwohl Bero vor Angst kaum atmen konnte, wieselte er bereits durch den großen Raum. Es war nicht das Versprechen an die Elben, das ihn antrieb, sondern einzig und allein die Angst um Elra. Alles andere war ihm egal, selbst das eigene Leben. Hauptsache, die Frau blieb unversehrt, die so freundlich zu ihm gewesen war, wie noch keine andere zuvor.
Klein wie er war, entging Bero allen Blicken, bis er direkt neben der Elbin anlangte. Sie setzte gerade dazu an, sich Vendors magische Waffe überzustreifen, als er beherzt mit beiden Händen zugriff und ihr das glänzende Metall entriss.
Der allumfassenden Magie beraubt, kreischte Elra erbost auf.
Bero konnte ihren Verlust im gleichen Moment nachvollziehen, da er die pulsierenden Schuppen unter den eigenen Fingern spürte. Schon die bloße Berührung des Handschuhs vermittelte ihm eine große Klarheit im Geiste, die ihn erstmals auf den Grund der Dinge blicken ließ.
Vorsicht, Gefahr!, durchzuckte ihn die Erkenntnis, als er sah, wie der feststeckende Pfeilschaft schmatzend Vendors Arm verließ. Nur noch ein oder zwei Herzschläge, dann würde dieser elende Hund garantiert versuchen, den Handschuh wieder an sich zu bringen.
»Lauf davon!«, brüllte Elra neben ihm, aber das wäre nun wirklich die dümmste aller bestehenden Möglichkeiten gewesen.
Stattdessen tat Bero das, was wohl am naheliegendsten war. Er streifte den Handschuh über, um ihn zum Guten zu verwenden. Recht getan! , flüsterte eine fremde Stimme in seinem Kopf. Und jetzt sorg dafür, dass der Elbin nichts mehr geschehen kann!
Das Blut in seinen Ohren begann zu rauschen, als er die mit Gold bewehrte Rechte Vendor entgegenstreckte. Die grelle Entladung traf Vendor, der ihm entgegensprang, mit voller Wucht. In einer heißen Dampfwolke schleuderte er durch die Luft zurück und durchbrach mit seinem erschlafften Körper die Rückenlehne des Eichenthrones.
Bero machte sich nicht die Mühe, den Aufprall des toten Elben zu verfolgen. Lieber sandte er den beiden menschlichen Schergen, die noch aufrecht standen, weitere Blitze entgegen.
Elra presste beide Hände fest an ihren Kopf und schrie auf ihn ein, doch ihre Worte klangen seltsam weit entfernt, als vernähme er sie durch einen rauschenden Wasserfall hindurch. Der schlafende Krieger! Die Stimme in seinem Kopf, die so guten Rat gab, erklang dagegen laut und deutlich. Nur wenn er ebenso stirbt, sind die, die du liebst, wirklich in Sicherheit.
Beros Arm hob sich wie selbstverständlich, während er sich dem Tisch zuwandte, an dem der Betrunkene weiterschlief, als wäre nichts gewesen. Töte ihn! , befahl die Stimme. Doch schon allein die bloße Hand gegen einen Hilflosen zu richten, erschien dem Halbling falsch. »Der kann doch keinem mehr was tun«, sagte er leise, wie zu sich selbst.
Töte ihn! , hämmerte es unter seiner Schädeldecke. Nur dann steht dir der Weg zur Macht offen!
Der Weg zur Macht? Bero wusste nicht, was damit gemeint sein sollte. Alles, was ihn interessierte, war der Weg ins Auenland, das er endlich mit eigenen Augen sehen wollte. Jetzt, da Elra keine Gefahr mehr drohte, stand dem doch nichts mehr im Wege, oder?
Töte … Die Stimme in seinem Kopf war kaum noch mehr als ein Flüstern, bevor sie
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