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Großmutters Schuhe

Großmutters Schuhe

Titel: Großmutters Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Welsh
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schien es nicht zu bemerken. Andreas hatte eine tiefe Falte auf der Stirn, seine junge Frau berührte zaghaft seinen Arm, er schüttelte sie ab. Rainer lief zu Marie, kletterte auf ihren Schoß und begann zu summen. Heile, heile Segen. Sie schmiegte ihr Gesicht an seinen runden Kinderbauch.
    Stefanies Mund stand offen wie der einer Toten, der man das Kinn hochzubinden vergessen hatte. Friederike verkrampfte ihre Hände ineinander, die Knöchel traten gelblich weiß hervor. Eberhards Gesicht zeigte einen ungeheuer dümmlichen Ausdruck. F. T. hielt sich den Mund zu, konnte ein seltsam gurgelndes Geräusch nicht unterdrücken, gleich darauf schüttelte es ihn vor Lachen. Die jüngeren Familienmitglieder vermieden es, einander anzusehen, und starrten die Wände an.
    »Will mir denn keiner erklären, was los ist?«, greinte Elvira.
    Louise lächelte still in sich hinein.
    Stefanie stemmte sich mit beiden Händen hoch, starrte Marie über den Tisch hinweg an. »Tu nicht so scheinheilig! Jetzt hast du erreicht, was du immer wolltest, du hast uns aus dem Haus geworfen und dich darin breitgemacht.«
    F. T. murmelte beschwichtigend: »Stefanie! Beruhige dich!«
    »Du halt den Mund!«, schrie sie ihn an. »Du halt dich da raus! Dich geht das überhaupt nichts an.«
    Er berührte ihre Schulter. Sie fuhr herum, stieß ihn von sich, er verlor den Halt, musste sich an der Stuhllehne abstützen. »Mich aus dem Haus meiner Eltern zu verjagen …«
    »Mutter«, sagte Theresa, jede Silbe einzeln betonend und doch kaum hörbar. »Mutter, seit ich denken kann, hast du immer erklärt, du würdest nie in dieses Haus ziehen, selbst wenn man dir einen goldenen Käfig aufs Dach setzte.«
    »Du brauchst gar nicht zu feixen!« Stefanie geriet völlig aus der Fassung, dunkelrote Flecke erschienen auf ihrem Hals wie Würgemale, breiteten sich immer weiter aus. »Du bist nicht unbehaust wie ich, du hast ein Elternhaus, auch wenn du nichts davon wissen willst, und im Übrigen geht es auch um dein Erbe!«
    Theresa schüttelte den Kopf. »Mutter, du machst dich lächerlich.«
    »Wer macht sich lächerlich?« Speichelblasen sammelten sich in Stefanies Mundwinkeln.
    Raffael beugte sich über sie.
    Theresa stand auf, hielt sich mit beiden Händen am Tisch fest, ging schwankend zur Tür. »Was ist jetzt los?«, fragte Elvira. Niemand antwortete ihr.
    »Geh nur«, rief Stefanie Theresa nach. »Geh nur! Ich brauch dich nicht. Ich brauch euch alle nicht!« Ihre Stimme schlug um, wurde kläglich. »Nie hat sie uns geliebt, immer nur die anderen, die Fremden. Jede Dahergelaufene war ihr wichtiger als die eigenen Töchter.« Mit drei Schritten war sie bei Friederike, zog sie aus dem Sessel, schüttelte sie wie eine Fetzenpuppe. »Du glaubst, du kannst dich raushalten, was?Du glaubst, ich werde wieder für dich die Kastanien aus dem Feuer holen. Sag endlich was!« Sie ließ Friederike los, die auf ihren Stuhl zurücksank. »Feig warst du immer schon.«
    Friederike straffte sich. »Wenn Mama es so will, werde ich mich dreinfügen. Obwohl es mir natürlich lieber gewesen wäre, sie hätte darauf vertraut, dass wir selbst das Richtige tun würden.« Ihre Duldermiene war beinahe überzeugend. »Es war Mamas Haus, sie kann damit machen, was sie will. Warum sollte sie auf unsere Gefühle Rücksicht nehmen?«
    »Sie hat es nicht gebaut, sie hat es geerbt, also muss sie es auch an ihre Kinder vererben«, behauptete Stefanie. Gleich morgen würde sie den Rechtsanwalt anrufen, man habe die Pflicht, sich zu wehren, auch wenn einen alle im Stich ließen, die eigene Schwester, der eigene Mann, die eigene Tochter, der eigene Sohn … Ihre Blicke flackerten von einem zum anderen. »Ich brauche euch alle nicht, ich will euch alle nie mehr sehen, feiges Gesindel, keine Haltung, kein Stolz, kein …« Sie rang nach einem Wort, ihre Hände ruderten ziellos herum, ein Weinglas fiel um, rollte über den Tischrand, zerbrach auf dem Fußboden.
    Rainer klatschte in die Hände. »Scheben bingen Glück!«, rief er. »Scheben bingen Glück!«
    Vreni hielt ihm die Hand vor den Mund. »Ist kein böses Wot, ist kein böses Wot, ist kein Scheiße-Wot!«, schrie er und versuchte die Hand seiner Mutter abzuschütteln.
    F. T. trat hinter Stefanie und fasste sie an den Schultern. »Stefanie, du hast immer gesagt, dass dir Besitz nichts bedeutet. Beruhige dich doch.«
    »Es geht nicht nur um den Besitz, verdammt noch einmal! Das Haus bedeutet … Zuflucht … Ach was, du verstehst doch nicht, du

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