Grote, P
wissen«.
Charlotte erreichte Henry Meyenbeeker in seinem Büro in Barcelona. Der Weinjournalist zögerte nicht, ihr zu helfen. Seine Aufgabe war es, Grivots unrühmliche Rolle und die des französischen Geheimdienstes nach dem Mord an Gaston bekannt zu machen, ins Internet zu stellen und die wichtigsten französischen Zeitungen und deutschen Zeitungen, zu denen er Zugang hatte, zu informieren. Das war nur für den Fall vorgesehen, dass Grivot nicht mitspielte. Doch der würde es tun, der Skandal würde ihm ansonsten das Genick brechen.
Die SISA, Martins Auftraggeber, sah sie nach dem Gespräch mit Meyenbeeker in einem anderen Licht. Es wäre zu klären, wer oder was wirklich dahinter stand. War es eine der vielen Tarnfirmen eines Geheimdienstes, des amerikanischen vielleicht? Oder arbeiteten französische und US-amerikanische Dienststellen zusammen? Meyenbeeker glaubte, dass sie Martin ganz bewusst ausgewählt hatten – und er war ihnen auf den Leim gegangen.
»Wieso ein Agrarinvestor als Scheinfirma?«, fragte Charlotte.
»Wieso nicht?«, antwortete Meyenbeeker. »Was wissen Sie über die Mitglieder der Delegation, die mit Ihnen im Tschad waren?«
Dann kam der alles entscheidende Anruf. Grivot war längst wieder nach Paris zurückberufen worden, er hatte Charlotte und Martin eine sichere Telefonnummer hinterlassen, für »den Fall, dass Sie meine Hilfe benötigen«, wie er gesagt hatte. Es war klar, dass sie die Nummer nicht benutzen würde, um ihn zu fragen, ob die neue Wohnung bereits eingerichtet sei.
»Bitte seien Sie in genau zwei Stunden in Bordeaux im Restaurant ›Les Alpes‹«, sagte die Dame am anderen Endeder Leitung. »Dort werden Sie angerufen.« Damit war die Leitung tot.
Jacques fuhr den Wagen, Constantinescu erzählte von Rumänien, von seiner Schulzeit, vom Tod des Vaters, von den Menschen, die geflohen waren und was sie riskiert hatten, und von seinem Ekel den Politikern gegenüber. »Vierzig Prozent Wahlbeteiligung, daran sehen Sie, wie die Menschen denken.« Und die Siebenbürger Sachsen seien sowieso alle weg, der kümmerliche Rest sei nur noch Folklore.
Sie erreichten das »Les Alpes« rechtzeitig und setzten sich an einen Tisch, es war Mittagszeit. Die Männer aßen mit Appetit, Charlotte würgte einen Bissen runter, dann wurde ihr übel.
»Madame Bongers? Ein Anruf für Sie.« Mit diesen Worten bat sie ein Kellner in einen der hinteren Räume, führte sie von dort aus ins Nebenhaus und weiter in ein Zimmer, in dem nichts außer einem Stuhl und einem Tisch stand, darauf ein Telefon.
Charlotte erkannte Grivots Stimme sofort.
»Ich nehme an, Sie rufen nicht wegen des Sommerfestes an, aber ich wollte Ihnen trotzdem sagen, dass Martins Wein großartig ist. Meine Freunde bedauern, dass es von 2004 nichts mehr zu kaufen gibt.«
»Ich darf voraussetzen, dass die Leitung genauso sauber ist wie der 2005er. Davon haben wir noch einiges. Wollen Sie eine Kiste? Ich schenke sie Ihnen, wenn Sie uns helfen, Grivot. Wenn nicht, dann kriegen Sie nie wieder eine Flasche, nicht mal ein Glas, dann ist Martin nämlich tot.«
Grivot schwieg. »So ernst ist es?«, fragte er nach einer Pause. »Nun, wenn Sie es sagen, wird es so sein.« Der Kommissar kannte Charlotte, er wusste, dass sie nicht zu Übertreibungen neigte, sich durchzusetzen verstand und dass mit ihr in manchen Angelegenheiten überhaupt nicht zu spaßen war. Er kannte ihre Vergangenheit im Staatsdienst – vielleicht sogar besser als sie selbst.
»Grivot, ich brauche Ihre Hilfe! Es geht um Martin. Er ist in Rumänien zwischen die alten Fronten geraten, man hat ihn benutzt, so wie Sie das getan haben.«
»Das tragen Sie mir noch immer nach?«
»Es lässt sich nicht ungeschehen machen, und Sie haben uns damals etwas versprochen . . .«
»Nein ... unmöglich ... das geht nicht . . .«
Charlotte sah, wie der kleine Mann die Brille abnahm, wie er sich wand, sich hinter Formalitäten verschanzen wollte. »Das geht doch. Sie werden dafür sorgen.«
»Die alten Fronten, sagen Sie? Wie ist er denn da reingeraten?«
Charlotte erklärte es, so gut es ging.
»Wenn ich Ihnen helfe, komme ich in die Hölle.«
»Da sind Sie bereits, Grivot, nämlich in meiner. Eigentlich haben Sie keine Wahl.«
»Also Erpressung?«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen. Wenn ich meinen Mann nicht aus Rumänien rauskriege, sind mir die Konsequenzen gleichgültig. Fragen Sie Ihre Leute an der Botschaft in Bukarest, was sie von Martin wissen, ob es einen
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