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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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dabei die Finger fast abfriert und trotzdem den Sonnenaufgang genießt.
    »Ich frage mich, Monsieur Coulange, wie Sie oder die SISA ausgerechnet auf mich kommen«, sagte Martin, als sein Gegenüber sich im Sessel zurechtgerückt hatte. Er wollte die Initiative ergreifen und nicht warten, bis Coulange ihm eröffnete, was man von ihm erwartete. »Wieso wollen Sie mich nach Rumänien schicken? Es gibt andere, die als Consultant besser geeignet sind. Ich habe das noch nie gemacht. Ich kenne das Land nicht. Ich kenne niemanden, der jemals dort gewesen ist oder von dort stammt. Ich habe nicht einmal eine Vorstellung, wie es da aussieht. Gut, von dem monströsen Palast in Bukarest habe ich ein Foto in der Zeitung gesehen, anlässlich der NAT O-Tagung – das Bauwerk eines Größenwahnsinnigen . . .«
    Coulange nickte verständnisvoll. »Mir geht es ebenso, Monsieur Bongers. Oft ist es besser, man weiß nicht, was auf einen zukommt.«
    »Was meinen Sie damit?« Coulange lächelte ausweichend, so zumindest interpretierte Martin es. »Sie wissen also auch nichts? Aber weshalb soll dann ausgerechnet ich dort hinfahren? Wieso glauben Sie, dass Sie auf meinen Erkenntnissen basierend investieren und bauen können?«
    »Wir halten Sie für absolut vertrauenswürdig, Monsieur Bongers. Außerdem«, jetzt grinste Coulange kumpelhaft, »woher wollen Sie wissen, dass wir nicht gleichzeitig einen zweiten Mann mit demselben Auftrag losschicken?«
    War das ein Witz? Wollte Coulange ihn testen oder verunsichern? »Von den dortigen Winzern oder Weinproduzenten habe ich nicht die geringste Ahnung, geschweige denn von ihren Weinen«, fuhr Martin fort, ohne seine Verstimmung zu zeigen. »Schwarze Mädchentraube, Fetească Neagră – keine Ahnung, was man daraus für Weine machen kann. Das wenige, was ich von dort probiert habe, hat mich nicht vom Hocker gerissen.«
    Coulange lächelte unbeirrt weiter. Er und seine Auftraggeber werden sich viel von meiner Mitarbeit versprechen, dachte Martin, sonst wäre es der Vorschlag nicht wert gewesen, darüber zu verhandeln, und Coulange hätte sich den Weg sparen können.
    »Sie fliegen also extra von Paris nach Bordeaux, um mit mir zu reden! Gibt es niemanden, der diese Aufgabe besser erledigen kann? Warum sollte ich mich darauf einlassen?«
    Coulange setzte zu einer Antwort an, aber Martin ließ ihn noch nicht zu Wort kommen. »Sie rechnen mit meiner Zusage, nicht wahr? Man macht ein derartiges Angebot nur, wenn man annimmt, dass der Kandidat sich darauf einlässt. Oder sollte ich mich irren? Dann müssen Sie eine ganze Menge über mich wissen. Da wüsste ich gerne, was das ist und von wem diese Informationen stammen.«
    Jetzt war Coulange dran, Martin lehnte sich zurück, betrachtete die Gäste an den Nebentischen, die alle besser in die Fünf-Sterne-Umgebung passten als er in seinem schäbigen Anzug. Nur die Krawatte war neu, ein Geschenk von Charlotte. Hatte Coulange den zweiten Mann mitgebracht, um ihn insgeheim zu beobachten? Er blickte sich um. Wozu der Aufwand? War sein Misstrauen erst einmal geweckt, dann dauerte es lange, bis er sich beruhigte. Gaston war seit fünf Jahren tot, aber er, Martin, sah noch immer Gespenster.
    Coulange führte die Kaffeetasse zum Mund und setzte sie mit einem Ausdruck des Missfallens wieder ab. »Kalt. Möchten Sie auch noch einen Kaffee? Vielleicht einen Cognac dazu?«
    »Lieber einen Armagnac.«
    Coulange winkt nach dem Ober. Während dieser Coulange mit einem Überangebot an Cognacmarken bombardierte und die jeweiligen Vorzüge herausstrich, betrachtete Martin sein Gegenüber. Coulange mochte jünger sein als er, knapp vierzig, ein Karrieretyp und ein Stratege, der jeden Schritt genauestens plante, in Finanzangelegenheiten weitaus beschlagener als er – kein Wunder, beim Vertreter eines Agrarinvestors   –, aber in menschlichen Fragen sicher hilflos. Ob er Kinder hatte?
    Und Coulange war unsportlich, sein Gang zu schwerfällig. Die paar Schritte vom Schreibtischsessel zum Flughafen und ins Hotel, den Rollkoffer hinter sich, hielten ihn nicht beweglich. Sein dunkelblauer Anzug war elegant und teuer, die Armbanduhr auch, goldene Manschettenknöpfe, also verdiente er gut. Das Gesicht wirkte glatt, das Leben hatte so gut wie keine Spuren darin zurückgelassen, die Augen waren kalt. Das machte den Umgang mit diesem Vertreter der SISA nicht unbedingt einfach.
    Als Martin bemerkte, dass der Kellner Coulange mit seiner Kenntnis von geistigen Getränken zunehmend

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