Grundlagen Kreatives Schreiben (German Edition)
Märchens geworden. Die Zahl drei ist für Wiederholungen wichtig, zwei Reprisen wirken zufällig, vier werden schon wieder langweilig, also müssen drei Prüfungen absolviert, drei heiratswillige Prinzen verschlissen werden. Auch in Formulierungen wie "Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind" wird der Dreischritt deutlich. Gut gewählte Wiederholungen verdichten den Texten und lassen bei den Lesern eine Art geistiges Einstimmen in den Kanon entstehen.
Gut gegen Böse
Zur Schlichtheit des Märchens gehört der Kampf Gut gegen Böse. Gut ist immer durch und durch gut und das Böse abgrundtief verdorben. Kein Gedanke daran, dass Schneewittchens Stiefmutter eine schwere Kindheit hatte. Das Ende dieses Kampfes darf nicht offen bleiben, sondern benötigt eine Auflösung, bei der der Gerechtigkeit genüge geleistet wird.
Kein Ort, keine Zeit
Vage bleiben hingegen die Angaben zu Ort und Zeit des Geschehens. "Es war einmal" und "vor einem großen Wald" verankern die Geschichten in einer diffusen Vorzeit, wodurch sie wiederum zeitlos werden.
Geradliniger Aufbau
Was für die Sprache gesagt wurde, gilt auch für den Aufbau. Auch er ist schlicht und kommt ohne Nebenhandlungen aus. Im Mittelpunkt steht ein Problem, eine Aufgabe und darauf konzentriert sich der Text.
Surrealismus in unserer Welt
Von großer Bedeutung ist das achte Element: die Verknüpfung von Realismus und Surrealismus. Allen Hexen, Nixen und Zwergen zum Trotz bleibt die Welt des Märchens doch immer als die identifizierbar, die wir kennen. Das Surreale wiederum wird mit größter Selbstverständlichkeit in die gewöhnliche Welt eingebettet. Niemand wundert sich über Riesen oder musizierende Tiere.
Anregungen zum Märchenschreiben
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Wie im Abschnitt „ Märchen schreiben leicht gemacht “ beschrieben, kann es viel Spaß machen, selber ein Märchen zu erfinden. Doch wie heißt die Zauberformel, um ein leeres Blatt in eine Märchengeschichte zu verwandeln?
Ehrlich gesagt wird diese Formel hier nicht verraten, dafür werden jedoch alternativ ein paar Methoden und Übungen vorgestellt, mit deren Hilfe bald schon Märchen ganze Blätterberge füllen können.
Ein Date mit einer Figur
Eine ganz behutsame Art sich als Autor in die Märchenwelt zu begeben, kann darin bestehen, sich eine der vielen bekannten Figuren auszusuchen, eine die man besonders mag oder verabscheut, um dann entweder einen Text über die „gemeinsame Geschichte" zu schreiben oder die Figur etwas schreiben zu lassen. Im Detail: Man kann sich zum Beispiel darüber Gedanken machen, warum man diese Figur ausgesucht hat, wie man als Kind zu ihr stand, welche Verbindungen es zu ihr gibt. Oder man lässt die Figur Tagebuch führen (wie würde sie heute leben?), das bekannte Märchen aus der Ich-Perspektive schildern, oder der Autor unterhält sich mit der Figur in einem niedergeschriebenen Dialog.
Die Märchenlotterie
Einen Schritt weiter Richtung eigenes Märchen führt die Märchenlotterie. Dazu beschriftet man Zettel mit den Bestandteilen der traditionellen Geschichten. Einen Zettelhaufen sammelt man zu Figuren, einen zu Orten und einen zu Schicksalsschlägen . Dann lost man drei Zettel aus und schreibt ein neues Märchen, in dem vielleicht ein König in einem Knusperhaus von einer Spule in den Finger gestochen wird. Oder ein sprechender Fisch wird von seinen Eltern ausgesetzt und landet in einem Turm. Wo kriegt er die langen Haare her, um dem rettenden Prinzen Einlass zu gewähren?
Anekdoten verwenden
Persönlichere Texte kann man entstehen lassen, indem Anekdoten gesammelt und „märchenisiert" werden. Da ist zum Beispiel der cholerische Chef, der einem jeden Tag einen unmenschlich hohen Aktenberg auf den Schreibtisch knallt. Liegt da nicht der Verdacht nahe, dass es sich um ein Feuer speiendes Ungeheuer handelt, das Menschen in einen Turm einzementieren will, um dann ... Aber es muss ja nicht immer um Konfliktbewältigung gehen. Der freundliche Busfahrer jeden Morgen - wer weiß schon, was in ihm steckt oder auf welcher Mission er sich gerade befindet?
Gegenstände zum Leben erwecken
Zugegeben, wenn man den Computer anschreit, fühlt man sich nicht gerade in einer märchenhaften Situation. Aber wenn er antwortet! Gegenstände aller Art zum Leben zu erwecken, Pflanzen und Tieren eine Stimme und ein menschliches Bewusstsein zu geben ist ein reizvoller Weg, um ein Märchen zu
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