Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
erreichte sie einen Sekundenbruchteil später. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kendra das Geländer gepackt und hielt ihren Skizzenblock an ihre Brust gedrückt, als handle es sich um einen heiligen Text, der die verrückten Rätsel der Nacht lösen würde.
»Dad«, sagte Kendra und testete mit einem Fuß, ob die Treppe noch da war.
»Hast du das gehört?«, fragte Cody.
Im Stockwerk unter ihnen riefen Menschen, die im Dunkeln umher hasteten. Noch weiter unten mischte sich das Knarren und Brechen von angespanntem Holz mit einem Rumpeln von losen Steinen und einem leisen, prasselnden Geräusch. Das Hotel bewegte sich erneut, so als ob es von seiner Verankerung losgerissen wäre und nun einen Abhang hinunterrutschte.
»Wir müssen hier raus«, sagte Cody. »Dieses Haus hat einen schweren Zitteranfall, und es besteht sowieso nur aus Streichhölzern und Leim.«
»Ich kann nicht weg ohne Dad.«
»Ja, hab ich mir gedacht.«
»Wer ist da?«, rief jemand vom Treppenabsatz unten, ein Mann mit einer barschen, abgehackten Stimme.
»SSI«, antwortete Cody.
»Einer Ihrer – unser Führer – ich denke, er ist tot.«
Kendra und Cody eilten die Treppe hinunter in Richtung des Tumultes, wobei ihnen das schwache Licht half, das durch ein Fenster geworfen wurde, das während der Erschütterungen zerbrochen war. »Bitte lass es nicht Dad sein«, flüsterte Kendra.
»Was ist passiert?«, fragte Cody, der sich bemühte, Autorität auszustrahlen, obwohl Kendra die unterdrückte Panik in seiner Stimme hören konnte.
»Dieses – Ding – wie eine große Echse oder sowas–«
»Es war eine schwarze Frau«, schaltete sich jemand anderes ein. »Sie hatte ein Messer.«
»Das war kein Messer–«
»Und dann gingen alle Taschenlampen gleichzeitig aus–«
Kendra konnte nicht entscheiden, wie viele Menschen auf dem Treppenabsatz versammelt waren, aber als sie und Cody den Körper erreichten, hatten sie fünf verschiedene Meinungen gehört. Den Beschreibungen nach schien es sich bei dem Opfer nicht um Dad zu handeln. Sie beugten sich über ihn, Cody prüfte seinen Puls. Kendra fürchtete sich davor, den Körper zu berühren, aber sie zwang sich, ihre Hand vor seinen Mund zu halten. Sie spürte keinen Atemhauch.
»Hat es schon jemand bei der Rezeption gemeldet?«, fragte Cody. »Über das Festnetz sollte man den Notruf erreichen können, auch wenn es kein Funksignal gibt.«
»Machen Sie Witze?«, sagte der schroffe Mann, der sie zuerst gerufen hatte. Es war zu dunkel, um sein Gesicht erkennen zu können, aber er war groß und korpulent und Kendra erinnerte sich daran, dass er bei der Registrierung »West Virginia« als Adresse angegeben hatte. Er sprach mit einem ländlichen, südlichen Akzent. »Glauben Sie, dass irgendjemand von uns im Dunkeln herumstolpern will, wenn so eine Irre mit einem Messer unterwegs ist?«
»Es war eine Echse«, bestand eine Frau. »Ich hab ihre Schuppen gesehen und sie hatte ... sie hatte...«
»Was?«, fragte Cody. »Nichts könnte verrückter sein als das, was wir schon gehört haben.«
»Einen Schwanz«, vollendete sie.
»Herr, steh uns bei«, sagte jemand anderes.
»Ist nicht Sache des Herrn«, sagte der Schroffe. »Jemand mit einem Messer. Verstehen Sie?«
Auf ein metallenes Kratzen folgte eine kleine Flamme und der Schroffe beugte sich mit seinem Einwegfeuerzeug hinunter, um Burtons Leiche zu beleuchten. »Bäh!«, sagte er und wischte sich über seinen ungepflegten Schnurrbart. »Hat sich seine Zunge geschnappt, oder so.«
Feuchtes, dunkles Blut umgab Burtons Lippen, sein Mund war ein zerfetzter Schlund. Seine Augen standen offen und starrten, vom Tod ausdruckslos und bereits dabei, ihren Glanz zu verlieren. Sein rechter Arm war zerfetzt, und sein Overall war mit dunklen Flecken übersät. Ein rostiger, süßlicher Geruch hing über dem Treppenabsatz.
»Ah, Burt«, sagte Cody mit einem traurigen Seufzer. Kendra berührte seine Schulter in einer Geste des Mitgefühls. Sie hatte Burton gemocht, und Dad würde am Boden zerstört sein, aber im Augenblick war sie zu erschüttert, um große Trauer zu fühlen.
»Das hat keines von den Geisterkindern getan«, sagte Kendra.
»Geisterkinder?«, fragte der Schroffe.
»Wie viele sind in Ihrer Gruppe?«, fragte Kendra. Und haben Sie Digger Wilson gesehen?
»Elf«, sagte eine kleine Frau, deren Umrisse am Rand des Lichtes, das die Flamme des Feuerzeugs verbreitete, kaum auszumachen waren. »Burton hatte uns gesagt, dass wir im Zimmer warten sollen, als
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