Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)

Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
Vom Netzwerk:
blickte ihn an, und seine Augen waren genauso tot wie die von Burton. Das rauchige Mondlicht warf einen grauen Schimmer auf seine Haut und sein Schnurrbart hob sich, um stumpfe Zähne und ein spöttisches Grinsen zu enthüllen. Sie erkannte ihn nun, aber es gelang ihr nur wegen ihres künstlerischen Talents, Gesichtszüge abzuschätzen.
    »Rochester«, flüsterte sie.
    »Unter anderem.«
    Sie versuchte, sich zu befreien, und rief Codys Namen, aber es rumpelte erneut und die Treppe verschob sich zur Seite. Am Ende des Korridors zerbrach die Wand und Nacht ergoss sich in das Hotel. Vom Rauch musste sie husten, und von unten kamen die ersten flackernden Flammen. Die Geisterjäger brüllten verzweifelt durcheinander, weil sie nun die Gefahr endgültig erkannt hatten.
    »Wenn du mich hübsch zeichnest, lasse ich dich vielleicht leben«, sagte der Schroffe. »Ein bisschen.«
    Ihr Skizzenblog lag auf dem Treppenabsatz, sie hatte ihn im Chaos vergessen. Sie dachte an die fantastischen Kreaturen, die sie auf seinen Blättern gezeichnet hatte, die ausgedachten Geister und körperlosen Wesen. Ihre morbide Kunst schien nun wie ein Überlebensinstinkt, weil sie das Schlimmste schon geträumt hatte und deshalb das Irreale problemlos akzeptieren konnte.
    »Was willst du von mir?«, fragte sie. »Du könntest jeden haben.«
    »Kapierst du es nicht?«
    Ihr Arm war von seinem Griff fast taub. Sie fragte sich, ob Cody ihr Fehlen bemerkt hatte oder ob er so sehr damit beschäftigt war, den Helden zu spielen, dass er nur an sich selbst dachte. Vom oberen Treppenabsatz fielen ein paar Geländerpfosten herunter und polterten auf dem Holz.
    »Ich will nur raus hier«, sagte sie.
    »Du bist zurückgekommen.«
    »Ich bin noch nie hier gewesen.« Sie versuchte sich zu lösen, während das Hotel um sie herum stöhnte und über ihnen Holzbalken zerbrachen.
    »Denkst du, dass Digger keinen Grund hatte, dich hierher zu bringen?« Das Gesicht des Schroffen wandelte sich und wurde zu dem von Rochester, der fast albern aussah, weil er noch den Schnurrbart hatte, aber dann wurde das Gesicht haarig, spitz und nagetierähnlich, und zwei gelbliche Schneidezähne glänzten im Mondlicht. »Man macht keine Versprechungen, die man nicht halten kann.«
    In ihrer Panik konnte sie sich nicht an das erinnern, was Cody über Dämonen gesagt hatte. Irgendwas über Macht. Die einzige Macht, die sie hatten, war die, die man ihnen gab.
    »Du kannst mich nicht haben«, sagte sie.
    Das Nagetiergesicht verbog sich und wurde weicher, rundlicher, deutlich wie eine Fotografie. Es war die Frau, die sie auf der Treppe gesehen hatte, die Frau, die in der letzten Nacht mit ihr gesprochen hatte.
    Ihre Mutter.
    Kendra hörte auf, sich zu winden. Der Rauch wurde dichter und die Flammen prasselten unten wie zerknülltes Zellophan.
    »Ich hatte dich nur für kurze Zeit«, sagte ihre Mutter, und obwohl die Stimme weiblich war, wusste Kendra, dass es in Wirklichkeit die von Rochester war. Kendra fand viel von ihrem eigenen Spiegelbild – das dunkle Haar und die mürrischen Augen, die breite Nase –, und ihre Panik wurde durch Traurigkeit abgemildert. Es schien nicht fair, dass ihre Mutter für immer zweiunddreißig sein würde, immer das Gesicht auf dem Foto auf ihrer Kommode zu Hause haben würde, gleich bleiben durfte, während Kendra erwachsen und älter wurde.
    Genau wie meine Figuren. Aus dem Nichts geschaffen. Weder gut noch böse, nur so gezeichnet.
    »Was?«, sagte Kendra, die von dem beißenden Rauch husten musste. »Willst du, dass ich hier sterbe? Hast du Angst, allein zu sein?«
    Die Stimmer ihrer Mutter wurde härter und zu einem Chor: »Wir sind niemals allein.«
    Der Fußboden kippte und Burtons Körper glitt über den Treppenabsatz, rutschte ein paar Stufen hinunter. Dabei drehte er sich, so dass seine Arme wie bei einer Jubelgeste ausgebreitet waren.
    Ihre Mutter – Dämon, sie ist ein Dämon, ein verkleidetes Geisterkind – ließ Kendras Arm los und sie fiel gegen die Wand. Sie blickte aus dem Fenster und erwartete, fliehende Gäste oder entfernte rote Lichter von Rettungsfahrzeugen zu sehen, aber das Gelände lag still und leer im Mondlicht. Rauch schwebte in Richtung des Waldes wie eine Armee von Geistern und verschmolz mit dem Nebel im Totenkleid der Nacht.
    Ein Ruck ging durch das Hotel. Holzbalken knirschten, Gipskartonplatten lösten sich in Stücke auf, als das Hotel noch einmal erbebte. Dad war irgendwo da unten, vielleicht unter dem herunterfallenden

Weitere Kostenlose Bücher