Guardian Angelinos (03) – Sekunden der Angst
an und wartete auf ihre Antwort.
»Muss ich Golf spielen?«
»Niemals.«
Sie lächelte. »Na dann. Ja, Colton Gregory Lang, ich will liebend gern deine Frau werden.«
Er steckte ihr den Ring an den Finger, und er passte perfekt. Vivi erinnerte er so sehr an ihre Mutter, dass sich ein leises Seufzen in ihrer Kehle verfing. Doch der Applaus, Jubelgeschrei und klirrende Gläser übertönten alles, als er aufstand, sie hochhob und herumwirbelte, beider Lippen zu einem Kuss vereint.
»Das war so schön traditionell«, flüsterte sie unter Tränen.
»Natürlich.« Er zwinkerte und wischte ihr behutsam über die Wange. »So ticke ich nun mal.«
Sie lachte und blickte zu ihrem Bruder und Sam hinüber, die ihr mit ihren Champagnergläsern zuprosteten, und an Sams Hand glitzerte die andere Hälfte des Eheringsets ihrer Mutter im Kerzenschein.
Zwei Hälften eines Sets waren endlich da, wo sie hingehörten.
Vom Schreibtisch von Roxanne St. Claire
Liebe Leserin, lieber Leser,
Charakternotizen … Charakternotizen … Wo hab ich bloß meine Charakternotizen für Vivi Angelino? Ach stimmt, ich habe ja gar keine. Sie hat sich selbst geschrieben.
Ich habe der Theorie, dass »eine Figur ihre eigene Geschichte erzählt«, nie zugestimmt, obwohl ich Autoren immer und immer wieder über dieses Phänomen habe diskutieren hören. Sicher, bestimmte Figuren sind lebendig im Kopf des Schriftstellers und haben Persönlichkeitszüge, die sie, aus welchem Grund auch immer, aus den Seiten herausragen lassen. Es macht Spaß, über sie zu schreiben, aber sie gleich das ganze Buch an sich reißen zu lassen? Also wirklich! Wer hat denn hier das Sagen? Wer sitzt denn bitte an der Tastatur? Wessen Fantasie ist hier am Werk? Ein guter Schriftsteller sollte in der Lage sein, die Kontrolle über seine Figuren zu behalten.
Und dann kam Viviana Angelino. Vom ersten Buch der Guardian-Angelinos-Serie an war Vivi für mich nicht einfach nur lebendig und dreidimensional, sondern sie schien jede Szene zu beleben. (Streichen Sie das und ersetzen Sie es durch »jede Szene zu übernehmen«.) Als ich ihr als die Heldin von FACE OF DANGER (dt. Titel: Sekunden der Angst) endlich freie Hand ließ, tat ich, was jeder Schriftsteller tun würde. Ich schnallte mich an und hielt mich gut fest. Vivi überraschte mich täglich von Neuem, bis hin zu ihrer Hintergrundgeschichte, die sie mir ebenso zaghaft und allmählich preisgab wie dem Leser und dem Helden.
Das Interessante an Vivi ist, dass sie zu den Menschen gehört – oder, oberflächlich betrachtet, zu gehören scheint – die genau wissen, wer sie sind, und sich einen feuchten Kehricht darum scheren, was andere denken. Ich glaube, im Grunde beneiden wir sie alle um dieses tiefe Selbstvertrauen. Ich ganz bestimmt! Sie saust auf einem Skateboard durch Boston (und, ja, das ist möglich, denn auf genau diesem Weg gelangt mein Stiefsohn von zu Hause zu seiner Arbeitsstelle in der Bostoner Innenstadt), trägt ihre Haare kurz und stachelig – und einen winzigen Diamanten im Nasenflügel … nicht, weil sie damit irgendwas aussagen will, sondern einfach, weil es ihr gefällt. Sie ist eine Frau, aber sie ist nicht besonders weiblich und macht sich nicht viel aus Mode, Make-up und den »mädchenhafteren« Dingen des Lebens. Ich wollte wissen, warum.
Vor etwa fünf Jahren, lange bevor ich Vivi »begegnet« bin, habe ich einen Artikel über eine Frau gelesen, die Demi Moore so ähnlich sah, dass sie als »Promi-Doppelgängerin« auf Messen und Veranstaltungen arbeitete. Natürlich stellte sich die Suspense-Schriftstellerin in mir sofort die Frage, die den Kern eines jeden Buchs bildet: »Was wäre, wenn …?« Was wäre, wenn diese Doppelgängerin von jemandem mit kriminellen Absichten wirklich mit der Schauspielerin verwechselt würde? Was, wenn die Doppelgängerin so mutig wäre, den Job anzunehmen, diese kriminelle Person absichtlich anzulocken und zu schnappen?
Ich behielt diesen Handlungsstrang im Hinterkopf und wartete auf die richtige Figur. Ich wollte eine Heldin, die sich in ihrer Haut so wohl fühlt, dass es eine ziemliche Tortur werden würde, in die Haut einer anderen zu schlüpfen. Nach dem Motto, Turnschuhe aus, Stöckelschuhe an – sehr lustig, bis man versucht zu gehen, und so gut wie unmöglich, wenn man um sein Leben rennen muss. Als Vivi Angelino auf dem Set auftauchte, wusste ich, ich hatte mein Mädchen gefunden.
Kein Wunder, dass Vivi diese Geschichte auf ihre Art erzählt. Natürlich haben
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