Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
Garage, und das Zeug könne jedem gehören. Doch da waren die Telefonate, und schließlich beschränkte er sich darauf zu tun, was ihm sein Anwalt – ich – geraten hatte, und zwar, die Aussage zu verweigern. Es war der klassische Fall, in dem alles, was er sagte, gegen ihn verwendet werden würde.
Nach einigen Monaten wurde die Untersuchungshaft in Hausarrest umgewandelt, und nachdem ein Jahr verstrichen war, wurde er freigelassen, unter der Bedingung, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden und seinen Wohnort nicht zu verlassen. Der Prozess zog sich hin, und die Verteidigungsstrategie zielte, abgesehen von allem anderen Gerede, darauf ab, die Verwendbarkeit der Abhörprotokolle anzuzweifeln. Falls dieser Einwand akzeptiert wurde, würde das die Anklage erheblich schwächen.
Ich hatte die Rechtmäßigkeit der Abhörprotokolle bereits in erster Instanz angezweifelt. Die Richter hatten den Einwand zurückgewiesen und meinen Mandanten zu zehn Jahren Gefängnis und einer unverhältnismäßigen Geldstrafe verurteilt. Ich hatte die Rechtmäßigkeit der Abhörprotokolle in zweiter Instanz bestritten. Ich wurde wieder abgewiesen, aber das Strafmaß wurde reduziert.
Ich hatte denselben Einwand nun zum Obersten Gerichtshof gebracht, und an jenem Morgen war ich dort, um einen letzten Versuch zu machen, damit mein Mandant – der in der Zwischenzeit eine richtige Arbeit gefunden hatte, eine Freundin und sogar ein kleines Kind hatte – nicht die nächsten Jahre im Gefängnis verbringen musste, und das wären weiß Gott nicht wenige Jahre, selbst wenn man die eventuelle Strafmilderung, vorzeitige Entlassung und andere Faktoren berücksichtigte. Am Obersten Gerichtshof gibt es normalerweise kein Publikum, die Verhandlungszimmer sind von abstrakter Schlichtheit, und vor allem werden dort rein juristische Sachverhalte diskutiert: Die brutalen Fakten, um die es in den Strafprozessen geht, bleiben vor den Türen der schallgedämpften Räume.
So gesehen, könnte man denken, dass sowohl das Urteil als auch die Situation dort frei sind von der emotionalen Energie, die die Ermittlungsverfahren kennzeichnet.
Aber das ist nicht so, und dafür gibt es einen bestimmten Grund.
Wenn du beim Obersten Gerichtshof gelandet bist, ist das Ende des Prozesses in Sicht. Eine der Möglichkeiten ist, dass das Gericht deinen Einspruch abweist. Und wenn das Gericht einen Einspruch gegen eine Haftstrafe zurückweist, kann das für deinen Mandanten bedeuten, dass er anschließend ins Gefängnis wandert, um seine Strafe abzusitzen.
Das lässt das, was im Obersten Gerichtshof geschieht, gleich sehr viel weniger abstrakt werden; es verwandelt die dünne Luft der Verhandlungsräume in eine dramatische Vorahnung sehr viel weniger zarter, meist schrecklicher Dinge.
Der Generalstaatsanwalt forderte, dass man meinen Einspruch abweisen sollte. Er sagte nicht viel, aber man merkte, dass er die Akte genau studiert hatte, und das war alles andere als selbstverständlich. Er widerlegte geschickt meine Argumente, und ich dachte, dass ich an Stelle der Richter seiner Interpretation gefolgt wäre und den Einspruch abgelehnt hätte.
Dann wandte sich der Vorsitzende an mich: »Herr Anwalt, das Kollegium hat Ihren Einspruch gelesen und auch das Memorandum. Ihr Standpunkt ist klar. In der Verhandlung bitte ich Sie, sich auf das Wesentliche zu beschränken und auf das, was weder im Einspruchsplädoyer enthalten ist noch im Memorandum.«
Sehr höflich und sehr deutlich. Beeil dich bitte, erspar uns das, was wir schon wissen, und lass uns vor allem keine Zeit verlieren.
»Danke, Herr Präsident. Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen.«
Ich war wirklich sehr schnell. Ich erinnerte daran, weshalb die Anhörprotokolle meiner Auffassung nach ungültig waren und dass das Urteil deshalb revidiert werden musste. Nach fünf Minuten war ich fertig. Der Vorsitzende dankte mir dafür, dass ich mein Versprechen gehalten hatte, entließ mich höflich und rief den nächsten Fall auf. Die Entscheidung würde am Nachmittag verkündet werden. Das ist üblich am Obersten Gerichtshof: Erst werden alle Einsprüche angehört, und dann ziehen sich die Richter in den Beratungsraum zurück. Danach, manchmal erst am späten Nachmittag, kommen sie wieder heraus und verlesen die Entscheidungen eine nach der anderen. Meist verlesen sie sie in einem leeren Saal, denn keiner hat Lust, stundenlang auf dem Flur zu verbringen, zwischen kaltem Marmor und verhallenden Schritten. Die Anwälte,
Weitere Kostenlose Bücher