Gullivers Reisen
geringsten Diener gehört haben. Es sey mir gleichgültig, ob er mir glaube oder nicht; als Dank für seine mir erwiesenen Gefälligkeiten wolle ich der Verderbniß seiner Natur so viel zugestehen, daß ich jeden Einwurf, den er mir mache, beantworten werde, so daß er die Wahrheit leicht entdecken könne.
Der Kapitän, ein verständiger Mann, bemühete sich mehrere Male, mich auf Widersprüchen zu ertappen, und hegte zuletzt eine bessere Meinung von meiner Wahrhaftigkeit; er fügte jedoch hinzu: da ich eine so unverletzliche Anhänglichkeit an der Wahrheit besitze, so müsse ich ihm mein Ehrenwort geben, ihm auf dieser Reise Gesellschaft zu leisten, ohne irgend einen Versuch gegen mein Leben zu machen, sonst werde er mich gefangen halten, bis wir nach Lissabon kämen. Ich gab ihm das verlangte Versprechen, zugleich aber auch die Versicherung, ich wolle lieber die größten Leiden ertragen, als daß ich unter die Yähus wieder zurückkehre.
Unsere Reise verging ohne bemerkenswerthen Vorfall. Aus Dankbarkeit zu dem Kapitän setzte ich mich bisweilen auf seine ernstlichen Bitten mit ihm zu Tisch, und suchte dann meine Abneigung gegen das Menschengeschlecht zu verbergen, obgleich derselbe sich mehrere Male Luft machte; dies schien der Kapitän jedoch nicht zu bemerken. Den größten Theil des Tages verschloß ich mich jedoch in meine Kajüte und vermied es, irgend Jemand aus dem Schiffsvolke zu erblicken. Der Kapitän bat mich öfter, meine Kleidung eines Wilden abzulegen, und wollte mir seinen besten Anzug leihen. Ich ließ mich jedoch nicht bewegen, irgend ein Gewand anzulegen, welches auf dem Rücken eines Yähu geruhet hatte. Ich bat ihn, mir nur zwei reine Hemde zu leihen, welche, wie ich glaubte, mich nicht sehr beschmutzen könnten, da dieselben seitdem er sie getragen, gewaschen waren. Diese wechselte ich immer am zweiten Tage und pflegte sie auch selbst zu waschen.
Am 5. November 1715 landeten wir in Lissabon. Der Kapitän lieh mir, als ich ausstieg, seinen Mantel, damit sich der Pöbel nicht um mich versammele. Er brachte mich in sein eigenes Haus, und gab mir auf meine Bitte, das höchste Zimmer im obersten Stockwerk an der Hinterseite des Gebäudes. Ich beschwor ihn, gegen alle Leute zu verheimlichen, was ich ihm über die Hauyhnhnms erzählt hatte, weil der geringste Wink über diese Geschichte nicht allein eine Masse Personen herbeiführen würde, die mich sehen wollten, sondern weil ich auch dadurch wahrscheinlich in Gefahr gerathen müßte, verhaftet und von der Inquisition verbrannt zu werden.Der Kapitän überredete mich, einen neuen Anzug anzulegen, ich wollte jedoch dem Schneider nicht erlauben, mir das Maaß zu nehmen. Da jedoch Don Pedro beinah von demselben Körperbau war, so paßten mir die Kleider. Er versah mich auch mit anderen Bedürfnissen, die ich vierundzwanzig Stunden lüftete, ehe ich sie gebrauchen konnte.
Der Kapitän hatte keine Frau und nicht mehr als drei Bedienten, von denen keiner bei Tische aufwarten durfte; sein ganzes Benehmen war auch so artig und sein Verstand so ausgezeichnet, daß ich wirklich anfing, seine Gesellschaft erträglich zu finden. Er überredete mich, aus dem Hinterfenster zu sehen. Allmählich ward ich auch in andere Zimmer gebracht, von wo ich auf die Straße blickte; sogleich aber fuhr ich erschrocken wieder zurück.
Nach einer Woche verführte mich der Kapitän an die Thür zu gehen; ich fand, daß mein Schauder sich allmählich verminderte, Haß und Verachtung schienen sich jedoch zu vermehren. Zuletzt war ich so kühn, in seiner Gesellschaft durch die Straßen zu gehen, verstopfte mir aber die Nase gehörig mit Raute und bisweilen mit Taback.
Nach zehn Tagen legte mir Don Pedro , dem ich einige Nachricht von meinen häuslichen Angelegenheiten gegeben hatte, es als eine Pflicht an's Herz, ich müsse in mein Vaterland zurückkehren und bei Frau und Kindern leben. Er sagte mir, ein englisches Schiff liege gerade im Hafen bereit und er werde mich mit allem Nothwendigen versehen. Es würde langweilig seyn, die Gründe, welche er anführte und meine Widersprüche hier zu wiederholen. Er sagte, es sey rein unmöglich, eine so einsame Insel, wie ich sie mir als Wohnort wünsche, aufzufinden. Ich möge jedoch über sein eigenes Haus verfügen und meine Zeit in so abgeschlossener Weise, wie ich es wünsche, zubringen.
Zuletzt gab ich nach, da ich nicht anders konnte. Ich verließ Lissabon am 24. November in einem englischen Kauffahrteischiff. Wer der
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