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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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südöstliche Spitze von Neuholland. Alles bestätigte die schon früher von mir gehegte Meinung, daß die geographischen Karten dies Land wenigstens um drei Grade zu weit nach Osten setzen. Vor mehreren Jahren machte ich hierüber meinem würdigen Freunde, Hermann Moll , eine Mittheilung, und sagte ihm die Gründe, weßhalb ich meinen Gedanken für wahr halte. Er hat es jedoch vorgezogen, die Angaben anderer Schriftsteller zu befolgen.
    Ich sah keine Einwohner an der Stelle, wo ich landete. Da ich unbewaffnet war, wagte ich es nicht, zu tief in das Land hinein zu gehen. An der Küste fand ich einige Schaalthiere, die ich roh aß; denn ich wollte kein Feuer anzünden, aus Furcht von den Eingebornen entdeckt zu, werden. So lebte ich drei Tage lang von Austern und Napfschnecken, um meine Lebensmittel zu sparen. Glücklicher Weise entdeckte ich auch eine Quelle ausgezeichneten Wassers, welches mir große Erleichterung gewährte.

    Als ich mich am vierten Tage früh Morgens ein wenig zu weit in das Innere hineinwagte, erblickte ich ungefähr zwanzig bis dreißig Einwohner auf einer an fünfhundert Ellen von mir entfernten Höhe. Sie waren nackt, und saßen sämmtlich, Männer, Weiber und Kinder an einem Feuer, das ich durch den Rauch erkennen konnte. Einer dieser Wilden bemerkte mich und setzte die Andern davon in Kenntniß, worauf fünf Mann auf mich zugingen und die Weiber und Kinder beim Feuer ließen. Ich lief so schnell wie möglich zum Ufer zurück, bestieg mein Cano und stieß vom Lande. Als die Wilden mich fliehen sahen, liefen sie hinter mir her, und bevor ich weit genug in die See gekommen war, schoß Einer derselben einen Pfeil gegen mich ab, der mich tief am linken Kniegelenk verwundete; ich werde die Narbe mit in's Grab nehmen. Da ich besorgte, der Pfeil könne vergiftet seyn, bemühte ich mich, als ich aus dem Bereich der Wilden mich fortgerudert hatte (an diesem Tage herrschte Windstille), die Wunde auszusaugen und sie dann so gut wie möglich zu verbinden.

    Ich wußte nicht, was ich thun sollte, denn ich wagte nicht, an demselben Landungsplatz zurückzukehren. Somit steuerte ich nordwärts. Es erhob sich ein sanfter Wind, der aber nordwestlich meiner Richtung entgegengesetzt war; ich wurde dadurch zum Rudern genöthigt. Als ich mich nun nach einem andern sichern Landungsplatz umsah, bemerkte ich in Nord-Nord-Ost ein Segel, welches mit jeder Minute sichtbarer wurde. Ich bedachte mich lange, ob ich dasselbe erwarten sollte oder nicht; zuletzt aber erhielt mein Abscheu gegen das Yähu-Geschlecht die Oberhand, ich wendete mein Cano, segelte und ruderte südwärts, bis ich denselben Damm erreichte, von wo ich am Morgen ausgefahren war; denn ich zog es vor, lieber bei diesen Barbaren, als bei den europäischen Yähus zu wohnen. Ich zog mein Cano so nahe wie möglich an das Land, und versteckte mich hinter einem Steine bei dem kleinen Bache, der, wie schon gesagt, ein ausgezeichnetes Wasser enthielt.
    Das Schiff kam bis auf eine halbe Meile an diesen Damm, und sandte sein großes Boot aus mit Gefäßen, um frisches Wasser einzunehmen (wie es scheint, war der Ort Seefahrern schon genug bekannt). Ich bemerkte dies nicht eher, als bis das Boot beinahe das Ufer erreicht hatte, demnach war es mir unmöglich einen andern Ort, wo ich mich verbergen konnte, aufzusuchen. Die Matrosen besahen mein Cano bei ihrer Landung, durchsuchten es an jedem Punkte, und schlossen daraus, der Eigenthümer müsse in der Nähe seyn. Vier derselben blickten in jede Ritze und in jedes Loch, bis sie mich am Ende auffanden. Ich lag flach auf meinem Gesichte; einige Zeit lang betrachteten sie mit Staunen meine sonderbare und auffallende Kleidung, meinen Rock aus Häuten, meine Schuhe mit hölzernen Sohlen und meine Strümpfe aus Pelzwerk. Daraus schlosen sie jedoch, ich könne kein Eingeborner seyn, da diese mit Kleidung gänzlich unbekannt sind. Ein Matrose befahl mir endlich in portugiesischer Sprache aufzustehen und zu sagen, wer ich sey. Ich verstand das Portugiesische, stand auf und sagte: Ich sey ein armer von den Hauyhnhnms verbannter Yähu und bitte nur, daß man mich abreisen lasse. Sie wunderten sich, daß ich in ihrer eigenen Sprache Antwort gab, und sahen an meiner Gesichtsfarbe, ich müsse ein Europäer seyn; sie konnten jedoch nicht begreifen, was ich mit Yähus und Hauyhnhnms meinte, und brachen zugleich über meine sonderbare Redeweise, welche dem Wiehern eines Pferdes glich, in ein lautes Gelächter aus. Furcht und Haß

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