Gullivers Reisen
Kapitän war, wollte ich nicht nachfragen. Don Pedro begleitete mich an Bord, und lieh mir zwanzig Pfund. Er nahm von mir höflichen Abschied, und umarmte mich bei der Trennung, was ich so gut wie möglich ertragen mußte. Während dieser letzten Reise gab ich mich weder mit dem Kapitän noch mit einem seiner Leute ab, sondern ich verschloß mich in meine Kajüte, indem ich Krankheit als Vorwand brauchte. Am 5. December 1715, neun Uhr Morgens, warfen wir in den Dünen Anker und um drei Uhr Nachmittags kam ich wohlbehalten nach meinem Hause in Redriff.
Meine Frau und meine Kinder empfingen mich mit großer Ueberraschung und Freude, weil sie mich für todt gehalten hatten; ich muß jedoch offen gestehen, ihr Anblick erfüllte mich nur mit Haß, Ekel und Verachtung und zwar um so mehr, da ich an die nahe Verbindung mit ihnen dachte. Ob ich mich gleich seit meiner unglücklichen Verbannung aus Hauyhnhnmland bereits daran gewöhnt hatte, den Anblick der Yähus zu ertragen, und mich mit Don Pedro de Mendez zu unterhalten, so war dennoch meine Einbildungskraft wie mein Gedächtniß fortwährend mit den Tugenden und Ideen der erhabenen Hauyhnhnms angefüllt. Wenn ich nun ferner bedachte, daß ich durch die Verbindung mit einer weiblichen Yähu der Vater mehrerer Yähus geworden sey, so empfand ich die äußerste Schaam und Geistesverwirrung so wie auch den heftigsten Abscheu.
Sobald ich in mein Haus getreten war, umarmte mich meine Frau und gab mir einen Kuß; da ich nun an die Umarmungen eines so verhaßten Thieres schon lange nicht mehr gewohnt war, fiel ich in eine Ohnmacht, welche beinahe eine Stunde dauerte. Seit meiner Rückkehr nach England sind jetzt bereits fünf Jahre verflossen; im ersten Jahre konnte ich die Gegenwart meiner Frau und meiner Kinder nicht ertragen; ihr Geruch war mir sogar unausstehlich; noch weniger konnte ich es leiden, daß sie mit mir in demselben Zimmer aßen. Bis auf diesen Augenblick dürfen sie nicht wagen, mein Brod zu brechen, oder mit mir aus demselben Becher zu trinken; auch konnte ich es nicht erlauben, daß irgend eine Person meiner Familie, mir die Hand berührte. Das erste Geld, das ich besaß, verwandte ich auf den Ankauf zweier junger Hengste, die ich mir in einem guten Stalle halte; sie sind meine besten Freunde zugleich mit dem Stallknecht denn meine gute Laune wird durch den Geruch, der im Stalle herrscht, wieder hergestellt. Meine Pferde verstehen mich ziemlich gut; ich unterhalte mich mit ihnen jeden Tag, und zwar gewöhnlich vier Stunden lang. Sie sind unbekannt mit Zaum und Sattel und leben in großer Freundschaft mit mir so wie untereinander.
Zwölftes Kapitel.
Des Verfassers Wahrhaftigkeit. Sein Zweck bei der Herausgabe dieses Werkes. Sein Tadel über Reisende welche von der Wahrheit abweichen. Der Verfasser rechtfertigt sich gegen den Vorwurf böslicher Absicht. Widerlegung eines Einwurfes. Die Methode des Anbaues neuer Colonien. Lob seines Vaterlandes. Das Recht der Krone auf die vom Verfasser beschriebenen Gegenden wird bewiesen. Schwierigkeit der Eroberung. Der Verfasser nimmt Abschied von seinem Leser, spricht von seiner zukünftigen Lebensweise, gibt guten Rath, und schließt vorliegendes Buch.
Also, lieber Leser, habe ich dir eine getreue Geschichte meiner Reisen gegeben, welche 16 Jahre und über 7 Monate dauerten. In der Beschreibung habe ich weniger den Schmuck der Rede als die Wahrheit in Obacht genommen. Ich hätte vielleicht wie Andere, mit sonderbaren und unwahrscheinlichen Geschichten das Erstaunen erregen können; allein ich habe vorgezogen, nur die Thatsachen und zwar in gerader Art und im einfachsten Style darzustellen. Mein Hauptzweck war nämlich, dich zu belehren, aber durchaus nicht dich zu unterhalten.
Für uns, die wir entfernte Länder bereisen, welche von Engländern und andern Europäern selten besucht werden, ist es sehr leicht, wunderbare Land- und See-Thiere zu beschreiben. Dagegen sollte es der Hauptzweck der Reisenden seyn, durch ihre Berichte von fremden Orten die Menschen besser und klüger zu machen, ihre Seelen durch schlechtes und gutes Beispiel zu vervollkommnen.
Ich wünschte sehr, das Parlament möge ein Gesetz erlassen, wonach jeder Reisende, bevor er seine Berichte herausgibt, dem Lord-Kanzler einen feierlichen Eid schwören müßte, er wolle nur dasjenige drucken lassen, was seinem besten Wissen gemäß vollkommen wahr sey. Alsdann würde die Welt der gegenwärtig gewöhnlichen Täuschung nicht länger ausgesetzt seyn,
Weitere Kostenlose Bücher