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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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keiner Weise, daß mich Andere, wie meine Wärterin, berührten; um jede Gefahr zu vermeiden, wurde der Tisch mit Bänken in solcher Entfernung umgeben, daß mich Niemand erreichen konnte.

    Ein schändlicher Schulknabe schleuderte aber eine Haselnuß auf meinen Kopf zu, die mich beinahe getroffen hätte; sie flog mit solcher Heftigkeit herbei, daß sie sicherlich mein Gehirn hätte zerschmettern müssen, denn sie war beinahe so groß wie ein kleiner Kürbiß; ich hatte jedoch die Genugthuung, daß der junge Schelm gehörig geprügelt und dann aus dem Zimmer geworfen wurde. Mein Herr ließ bekannt machen, er werde mich am nächsten Markttage wieder öffentlich zeigen; indessen ließ er für mich ein bequemeres Transportmittel verfertigen, und dazu hatte er genügenden Grund, denn meine erste Reise und der Umstand, daß ich verschiedene Gesellschaften acht Stunden lang unterhalten mußte, hatten mich so sehr angegriffen, daß ich kaum auf den Beinen stehen oder auch kein Wort sprechen konnte. Erst nach drei Tagen kam ich wieder etwas zu Kräften, aber damit ich auch keine Ruhe zu Hause hätte, begaben sich alle Herrn von Stande, auf dreihundert Meilen in der Runde, nachdem sie von meinem Ruhme gehört hatten, in die Wohnung meines Herrn, um mich zu sehen. Wenigstens dreißig Personen kamen mit Frau und Kindern (das Land ist sehr bevölkert). Mein Herr verlangte alsdann die Zahlung eines gefüllten Zimmers, selbst wenn nur ein Mann mit seiner Frau kam. Einige Zeit lang hatte ich keinen Tag Ruhe (nur am Mittwoch, der in Brobdingnag als Sonntag gilt), ob ich gleich nicht in die Stadt gebracht wurde.
    Als nun mein Herr einsah, ich würde ihm wahrscheinlich viel Geld einbringen, beschloß er, mich in allen berühmten Städten des Königreichs zu zeigen. Er versah sich deßhalb mit allen Dingen, die zu einer größeren Reise erfordert werden, ordnete seine Angelegenheiten zu Hause, nahm Abschied von seiner Frau, und am 17. August 1703, ungefähr zwei Monate nach meiner Ankunft, reisten wir zur Hauptstadt, welche ungefähr in der Mitte des Landes und dreitausend Meilen von unserem Hause entfernt liegt. Mein Herr nahm seine Tochter Glumdalclitch hinter sich auf's Pferd. Sie trug mich auf dem Schooß in einer um ihren Leib befestigten Schachtel. Das Mädchen hatte die Wände derselben mit dem weichsten Tuch das sie bekommen konnte, besetzt, dasselbe noch ausserdem gepolstert, das Bett ihrer Puppenwiege in die Schachtel gelegt, und letztere mit Wäsche und anderen Bedürfnissen gehörig versehen; kurz, sie hatte Alles so bequem wie möglich eingerichtet. Wir reisten allein, mit Ausnahme eines Knaben vom Hause, der mit dem Gepäck hinter uns herritt.
    Mein Herr beabsichtigte, mich in allen Städten am Wege zu zeigen, und in der Entfernung von fünfzig bis hundert Meilen vom Wege in jedes Dorf oder nach jedem Landsitze hinzureiten, wo er auf Einnahme hoffen könnte. Wir machten kurze und bequeme Tagereisen, nur von ungefähr zwölf bis fünfundzwanzig Dutzend Meilen; Glumdalclitch , um mich nicht zu sehr anzugreifen, beklagte sich nämlich häufig, sie könne das Trottiren des Pferdes nicht ertragen. Sie nahm mich auch oft, sobald ich es wünschte, aus der Schachtel, damit ich frische Luft schöpfen und das Land mir ansehen konnte; dabei wurde ich aber stets an einer Schnur geleitet. Wir setzten über fünf bis sechs Flüsse, die sämmtlich tiefer und breiter wie der Nil und Ganges waren; auch war kein Bach so klein wie die Themse bei der London-Brücke. Zehn Wochen dauerte die Reise, und ich wurde in achtzehn großen Städten gezeigt, der Dörfer und Privatbesitzungen nicht zu gedenken.
    Am 26. Oktober langten wir in der Hauptstadt an, die in der Sprache von Brobdingnag Lorbrulgrud , oder Stolz des Weltalls genannt wird. Mein Herr miethete sich eine Wohnung in der Hauptstraße, nahe beim königlichen Palaste. Alsdann ließ er Ankündigungen in der gewöhnlichen Form anschlagen, welche die genaue Beschreibung meiner Person und meiner Eigenschaften enthielten.

    Das Zimmer, das er miethete, war an drei- bis vierhundert Fuß breit. Er sorgte für einen Tisch von sechzig Fuß im Durchmesser, worauf ich meine Künste zeigen sollte, und verpallisadirte denselben zur Höhe von drei Fuß, und in gleicher Entfernung vom Rande, damit ich nicht hinunterfiele. Zehnmal des Tages wurde ich zum Erstaunen und zur Zufriedenheit aller Leute öffentlich gezeigt. Ich kannte jetzt die Sprache so ziemlich und verstand Alles, was man mir sagte.

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