Gun Machine
Mobilfunkgespräch aus der Luft zu klauben, als die Leitung eines beliebigen Münztelefons unter Zeitdruck anzuzapfen?
Natürlich gab es Tage, an denen ihn all das weniger kümmerte. Ohne dass er es gemerkt hätte, wechselte seine Sicht auf diese Tage wie der Wind. Es gab Tage, an denen er nur Verkehr und Maschinen und das Quietschen der Kunststoffsohlen auf dem Gehsteig hörte. An diesen Tagen wünschte er nichts mehr, als auf dem Manhattan Island der Lenape zu leben.
In seiner Handfläche flackerte das Kleingeld für das Telefon. Im einen Moment Münzen, im nächsten Muscheln. Der Jäger schob den Kiefer vor und zurrte seine Wahrnehmung fest, bis die Münzen lange genug Münzen blieben, um sie in den schmalen Schlund der Maschine zu pressen. Aus einer Nische seines Gedächtnisses kramte er die Nummer des ersten Mannes und wählte. Das Piepen im Hörer sollte vermutlich signalisieren, dass die Nummer nicht funktionierte. Also zog er weiter, zum nächsten Alkoven seiner Erinnerung, und förderte die Nummer des zweiten Mannes zutage.
Er lauschte auf das Klingeln, das Klicken, schließlich auf eine Frauenstimme, die verkündete, dass sein Anruf umgeleitet werde. Eine Aufzeichnung, dachte er. Am heutigen Tag schien das 21. Jahrhundert in sehr weiter Ferne zu liegen. Wieder läutete es, doch diesmal klang es anders.
Nach dem vierten Klingeln meldete sich der zweite Mann. » Andrew Machen. «
» Erkennen Sie meine Stimme? «
Eine scharfe Pause. Dann, begleitet von einem angestrengten Schlucken: » Ich erkenne Ihre Stimme. Woher haben Sie… ich meine, wie kann ich Ihnen behilflich sein? «
Der Jäger lächelte. Sie fürchteten ihn noch immer. » Mr. Machen. Ich habe einige Dinge in einem Gebäude in der Pearl Street aufbewahrt. « Er nannte Haus- und Apartmentnummer. » Diese Dinge wurden von der Polizei entdeckt. Ich habe gesehen, wie sie sich daran gemacht haben, meinen Besitz aus dem Gebäude zu schaffen. Aber diese Dinge gehören mir. Und gewissermaßen auch Ihnen. Es handelt sich um mein Handwerkszeug. Verstehen Sie, was ich da sage? «
Während der Worte des Jägers hatte sich Machens Atmung beschleunigt, und nun fiel es ihm schwer, seine Lunge mit ausreichend Luft für einen vollständigen Satz zu füllen. » Dieses Gebäude. Ich kaufe es. Meine Firma kauft es. Die Cops haben dort jemanden erschossen. Gestern. Irgendein Sozialfall ist ausgerastet, als der bisherige Besitzer die Räumungsbescheide verteilt hat. Was haben Sie dort aufbewahrt? «
» Denken Sie noch mal drüber nach. Was habe ich dort aufbewahrt? Vor einigen Sekunden habe ich es Ihnen gesagt. «
» Nein. O Gott. Das ist nicht Ihr Ernst. «
» Und jetzt erfahre ich, dass das alles Ihre Schuld ist. Dass Sie das Gebäude gekauft haben, in dem sich mein Besitz befindet. Dass er wegen Ihnen in falsche Hände geraten ist. «
» Ich hatte doch keine Ahnung! Woher auch? Sie sollten uns doch gar nichts sagen! Scheiße, Sie hätten die verdammten Waffen niemals aufbe… «
» Sie hatten kein Recht darauf. Die Waffen waren mein Eigentum. Sie waren heilig. Sie haben mächtige Dinge bewirkt und durften nicht achtlos weggeworfen werden wie gebrauchte Spielzeuge nach Weihnachten. « Der Jäger lächelte. Er spürte mit großer Bestimmtheit, dass er sich seit Wochen nicht mehr an die Existenz von Weihnachten erinnert hatte.
» Okay… Und was soll ich jetzt machen? «
» Bringen Sie es in Ordnung « , flüsterte der Jäger. » Sie müssen das verstehen, Mr. Machen. Sollten die anderen beiden Männer zu dem Schluss kommen, dass Sie ihrem Erfolg nur noch im Wege stehen… Sie wissen doch, wozu sie mich auffordern würden. «
Der Jäger legte auf und wollte schon die Straße überqueren, als er über dem Eingang einer Bank an der gegenüberliegenden Ecke eine Überwachungskamera entdeckte. Deshalb bog er lieber links in eine Gasse und verschmolz mit einem imaginären Wald.
Zehn
Vivicy hatte seinen Sitz in den oberen zehn Etagen eines Achtziger-Jahre-Wolkenkratzers, der einem veralteten Raumschiff auf der Abschussrampe ähnelte– einem melancholischen Raumschiff, das seit der Rezession seiner Geburtsdekade auf dem Abstellgleis ausharrte und darauf wartete, dass endlich jemand genug Geld hatte, um es vollzutanken und in den Himmel zu katapultieren. Es war ein seltsam trauriger Anblick. Der Ruß der Stadt rankte sich um die Bügel und Masten, die am Rand des Gebäudes hingen wie Spielereien eines besonders originellen Architekten.
Der Starttermin des
Weitere Kostenlose Bücher