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Gun Machine

Gun Machine

Titel: Gun Machine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warren Ellis
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Raumschiffs lag genauso tief in der Vergangenheit wie die Tage der Drei-Martini-Mittagspausen im Bankenviertel. Die paar Menschen, die am frühen Nachmittag noch auf der Straße unterwegs waren, huschten mit panischen Schritten in die Häuser, während sie auf dem letzten mehligen Müsliriegelklumpen herumkauten oder schnell eine halb aufgerauchte Zigarette austraten.
    Tallow war zurück im 1st Precinct. Zum Mittagessen hatte er eine geraucht und das Gebäude begutachtet. Die nötigen Anrufe bei Vivicy hatte er schon auf der langen Heimfahrt nach Downtown erledigt, doch einige Punkte wollte er noch durch einen persönlichen Besuch unterstreichen.
    Die Raumschiffmetapher passte auch aufs Innere des Wolkenkratzers– die Kathedrale eines Mutterschiffs mit riesigen Aluminiumrohren als Säulen und poliertem Metallboden. Magnesium oder so, dachte Tallow, als er den Boden betrachtete, der beim Laufen mitschwang, als säße er auf Federn oder flexiblen Balken. Bei jedem Schritt wurden Tallows Füße leicht angehoben. Ein Boden wie geschaffen dafür, den Masters of the Universe bei ihrem morgendlichen Gang zum Aufzug Flügel zu verleihen. Im Inneren erinnerte das Gebäude nicht an ein Relikt aus vergangenen Zeiten, das auf einer verlassenen Startrampe stand; vielmehr schien es nur abzuwarten, bis es sich das gesamte Kapital der Erde einverleibt hatte, um sogleich zu neuen Territorien aufzubrechen.
    In die Wände eingelassene Goldpunkte bemühten sich, Gottes Licht in der Lobby zu verteilen. Die Musik, die fast im Hintergrundrauschen aufging, war gar nicht blöd– beim Schlangestehen vor der Sicherheitsschleuse fiel Tallow auf, dass sie alle paar Minuten zu einem kleinen Crescendo anschwoll. Eine Mutation der Titelmelodie von Weites Land aus dem Muzak-Laboratorium, mit zurückgefahrenem Orchesterbrimborium, untermalt von einem tuckernden Siebziger-Jahre-Krautrock-Beat. Als die metallenen Stützpfeiler dieser Basilika errichtet wurden, klang das Zeug vermutlich noch nach Zukunft.
    Mit seiner Marke bahnte Tallow sich einen Weg durch die Sicherheitsschleuse. Die Wachen, allesamt in schwarzen Shirts mit dem gestickten Abzeichen einer Firma namens Spearpoint, nickten ihm verschwörerisch-kumpelhaft zu, wie alle Sicherheitsleute, die sich für Brüder und Schwestern der Polizei hielten. Tallow nickte zurück, um sich das Leben ein bisschen leichter zu machen, und trat mit einem Mann in den Lift, der sich zwanghaft den Daumenansatz zerkratzte. Seine abgekauten Fingernägel bohrten sich so tief ins alte Narbengewebe, dass rote Flecken erblühten.
    Im ersten Stock des Vivicy-Bereichs wechselte Tallow schnell in den nächsten, separaten Aufzug für die oberen zehn Etagen. Diesmal wurde er von einem grimmigen Kurier begleitet, der dauernd mit den Zähnen knirschte. Es klang, als würde er Pflastersteine aneinanderreiben. Als Tallow im obersten Stock ausstieg, sah er sofort einen hilfreichen Plan, der neben dem Lift an die Wand geschraubt war und die Bürolandschaft anschaulich darlegte. Er wartete ab, bis der Kurier die gestresste Empfangsdame in eine erhitzte Diskussion verstrickt hatte, und glitt durch den Haupteingang ins Zentrum der Etage.
    Die Leute blickten auf, als er mitten durch ihre Reihen auf das Eckbüro zumarschierte. Besser gesagt: Sie hielten die Nase in die Luft, kamen zu dem Schluss, dass sie kein Raubtier aus ihren schlimmsten Träumen witterten, und machten sich wieder an die Arbeit.
    Vor der breiten Tür des Eckbüros hielt eine persönliche Assistentin hinter einem Schreibtisch aus gebürstetem Stahl Wache. Tallow verlangsamte seine Schritte– seine Rosato-Schritte, die Schritte, mit denen er zuerst kaum mithalten konnte, bis er sie schließlich selbst drauf hatte. Der unaufhaltsame Rosato, der immer wie eine Felslawine auf die Leute zugerauscht war. Es war viel zu leicht gewesen, einfach mitzurauschen.
    Tallow ließ sich zwanzig Sekunden Zeit, um die Assistentin zu studieren. Eine japanische Amerikanerin zwischen zwanzig und dreißig. Schöne Augen, zerkaute Lippen, kurzes schwarzes Haar. Sie griff sich ins Haar, zerfurchte es mit den Nägeln. Plastikfingernägel, aber zierlich und ordentlich. Sie griff sich erneut ins Haar, ertappte sich dabei und zwang sich, die Hand flach auf den Tisch zu legen, während sie mit der anderen Hand schrieb. Unter ihrem Haar entdeckte Tallow die Andeutung eines Tattoos. Früher hatte sie sich den Kopf rasiert; jetzt ließ sie ihr Haar wachsen. Sie kam damit klar, aber es störte

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