Gut gebrüllt Löwe
verächtlichen Blick in seinen Käfig auf das gelbe Tier, das seine lächerliche, unordentliche und schmutzige Bettuch-Maskerade abgeworfen hatte, umklammerte den Spiegel und stieg mit ihm auf einer unsichtbaren Spirale in seine einsame Höhe auf.
Professor Nomus befahl dem ersten Ameisenbär, das Fernrohr auf ihn zu richten. Der zweite schlug den Gong zum Wecken.
Auf Schloß Firifalo war nun die letzte Hoffnung vergangen, daß Löwe aus Vergnügen am Spuken die Geisterstunde bis zum Morgen ausgedehnt hatte und noch wiederkommen würde.
»Ich wette, er sitzt wieder hinter irgendeinem Gitter, wie damals, als er aus der Bude des Zauberers nicht zurückkehrte«, murrte das Kamel übergescheit, zum Sultan gewendet. »Man kann ihm eben keine wichtige Aufgabe übertragen. Ich habe zwar gleich davor gewarnt, aber wie immer wollte keiner auf mich hören!«
»Du vergißt wohl, daß du uns diese ganze trübe Gespenstersuppe eingebrockt hast!« zischte die Kobra.
»Streitet euch nicht«, sagte der Sultan. »Wir müssen wissen, was geschehen ist.«
»Ich kundschafte es aus!« rief der Flamingo und flog davon. Er glich einer der winzigen rosa Morgenwolken.
Voller Ungeduld erwarteten sie seine Rückkehr. Prinz Panja sah ängstlich in die Richtung, aus der er kommen mußte, denn er dachte an seine eigene Gefangenschaft im Kerker von Machatofel. Die Kobra wiegte den Oberkörper, der Elefant schwenkte den Rüssel, der Sultan schritt unruhig auf und ab, General Blech schepperte tatendurstig mit seiner Rüstung, Kolossalis wünschte sich wieder einmal, fliegen zu können, und das Kamel ließ die Unterlippe hängen.
Endlich kam der Flamingo. Er bewegte die Flügel kräftig und segelte auf die Terrassenbrüstung nieder.
»Alarm!« kreischte er, um Atem ringend. »Alarm! Es steht schlimm um uns!«
»Was ist mit Löwe geschehen?« wollte Prinz Panja vor allem wissen.
»Die Sache ist so«, sprudelte der Flamingo los, »alles scheint wunderbar geklappt zu haben, großes Entsetzen und große Furcht und Zähneklappern. Der fliegende Teppich liegt übrigens auf der Burgmauer, man hat ihn anscheinend noch nicht entdeckt. Ja, und dann ist irgend etwas passiert, oder genauer gesagt: Löwe ist seinem Spiegelbild entgegengetreten und hat sich schrecklich vor sich selbst erschrocken und ist brüllend ein Stück zurückgesprungen und dabei in den Käfig des Kondors geraten; das Gitter ist heruntergefallen, und er kann nicht wieder raus. Da sitzt er jetzt, natürlich hat er die Verkleidung wieder ausgezogen. Und als Rao und der Gibbon und der Korporal und die Soldaten gemerkt haben, daß das Gespenst gar kein Gespenst war, sondern Löwe in alten Tüchern, da haben sie alle Furcht der Nacht und alle Schwüre vergessen und sind vor den Käfig gegangen und haben Löwe mit ihren Spießen gekitzelt und haben ihn verhöhnt und mit altem Gemüse beworfen. Löwe ist furchtbar böse und faucht und schlägt mit dem Schweif, aber es nützt ihm nichts. Und ich kann das Gitter auch nicht öffnen.
Nun, aber vor allem sind sie nun erst recht übermütig geworden. >Das war ein gutes Vorzeichen!< triumphiert Rao, und der Gibbon kreischt, wir würden alle genauso hinter Gitter kommen, und der Korporal läßt die Blechbüchsen bewaffnen und im Hof antreten. Den ganzen gestrigen Tag hat der Schmied darauf verwendet, ihre Waffen zu schärfen, und der Korporal, der unbedingt General werden will... «
»Ha!« rief General Blech empört, den Bericht des Flamingos unterbrechend, aber dieser fuhr gleich fort: »... der Korporal hat Schlachtpläne entworfen, und jetzt werden gerade die Fahnen gehißt und die Trommeln gerührt, denn bald setzt die Blechbüchsenarmee zum Sturm auf Schloß Firifalo an. Und ich weiß wirklich nicht, wie wir uns hier auf diesem lieblichen Hügel ohne Mauer, Wehr und Waffen verteidigen sollen.«
Er schwieg einen Augenblick, und sie hörten von fern die Trommeln rasseln.
»Flieht — flieht!« rief der Flamingo. »Flieht, ehe es zu spät ist. Ich kann mich in die Luft retten, aber ihr müßt euch im Wald verbergen oder auf dem Berg oder in einem ganz fremden Land.«
»Ich kann nicht aus meinem Schloß fliehen«, sagte Prinz Panja. »Ich muß um mein Recht kämpfen, auch wenn ich dabei untergehe. Aber um euch, meine Freunde, die ihr gekommen seid, mir zu helfen, um euch tut es mir leid.«
»Oh«, sagte der Sultan, »dazu ist es noch zu früh. Jetzt brauche ich vor allem ein gutes Schwert.«
»Ha!« rief General Blech. »Wir wollen doch
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