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Gut gebrüllt Löwe

Gut gebrüllt Löwe

Titel: Gut gebrüllt Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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der Terrasse des Schlosses Firifalo feststellte, daß dieser wirklich wieder fliegen konnte.
    »Komisch!« sagte das Kamel und richtete seine großen Augen auf den Esel, der mit gesenktem Kopf vor dem Wagen stand. »Du siehst aus, als hättest du ein schlechtes Gewissen!«
    »Ich...«, wieherte der Esel.
    Sassamar umklammerte seine Schnauze. »Er hat Hunger!«
    »Ich...«, schnaubte der Esel durch die Nüstern. »Ich bin sehr mißtrauisch gegen fliegende Teppiche! An eurer Stelle würde ich mich auf keinen verlassen!«
    »Wie klug dieser Esel ist«, seufzte das Kamel. »Das sage ich auch immer, aber niemand hört auf mich.«
    Reich belohnt, kehrte Sassamar vom Schloß Firifalo in seine Behausung zurück. Dort packte er Kleider und Lebensmittel auf den Wagen, verriegelte Fenster und Türen und verließ die Stadt Burugel eilig, um sich so lange verborgen zu halten, wie ein falscher und ein echter Teppich durch die Lüfte flogen.

Die Nacht kommt

    Als die Dunkelheit hereinbrach, war der Kondor aus seiner Höhe, wo der Horizont noch blau leuchtete, wie die Nacht selbst, auf seinen mächtigen Schwingen zur Burg Machatofel hinabgesunken. Behutsam stellte er den großen, kreisrunden Beobachtungsspiegel im Burghof ab, lehnte ihn an die Mauer gegenüber der offenen Falltür seines Käfigs. Er nahm seine Abendmahlzeit zu sich und begab sich auf dem Ast eines kahlgeschlagenen Baumes zur Ruhe. Die Augen geschlossen, hockte er unbeweglich wie ein schwarzer Felsbrocken.

    Professor Nomus ließ den ersten Ameisenbären am Gong die zehnte Stunde schlagen und befahl dem zweiten, der die Bewegungsmechanik des Fernrohrs bediente, dessen Linse in die Höhe des Planeten Mars zu schrauben, der heute so unheimlich glühte und den er aufmerksam studieren wollte. Immer kündete das rote Leuchten dieses Sternes düstere Ereignisse an.
    Rao und der Gibbon hatten den Teppich auf dem Balkon vor der steingrauen Halle ausgebreitet, damit sie von dort jederzeit wegfliegen konnten, wenn es notwendig werden sollte. Sie schärften der Burgwache ein, auf jedes Geräusch zu achten. Im Hof loderte ein Holzfeuer und warf die zuckenden Schatten der Gebäude und der hin- und herwandernden Wache oder der schlafend zusammengesunkenen Blechbüchsen an die Mauern. Je später es wurde, desto mehr sanken die Flammen in sich zu einem rotglühenden Haufen zusammen, in dessen Licht alles unwirklich schimmerte. Der Korporal, von Rao mit dem Befehl versehen, morgen das Schloß Firifalo im Sturm zu erobern, hockte in seiner Stube über Landkarten — bis ihm die Augen zufielen. Und Rao und der Gibbon selbst saßen in der steingrauen Halle und zechten ausgiebig. Sie feierten, vom Wein beflügelt, bereits den Sieg, den sie sicher waren, morgen zu erringen.

Ein gräßlicher Unhold

    Im Schloß Firifalo hatte man inzwischen Löwe in ein Gespenst verwandelt. Sogar die, welche dabei geholfen hatten, erschraken vor ihm. Er war von Kopf bis Fuß in ein weißes Laken gehüllt und wirkte, wenn er aufrecht ging, wie ein Riese. Seine wilde Mähne umflatterte einen Totenschädel, wie die wirren Zotteln eines Ungeheuers, das Kamm und Bürste verschmäht. Die Ausschnitte für seine Augen waren schwarz umrandet, rote Flecke besudelten sein Gewand wie frisches Blut, rasselnde Ketten klirrten rostig über seiner Schulter, und wenn er seine Vorderpfoten hob, sah es aus, als ob ein geisterhafter Vogel seine Schwingen ausbreitete. Daß er auf seinen katzenweichen Pfoten lautlos schreiten konnte, machte ihn vollends unheimlich — und seine düster-volltönende Stimme, die er schnaufen und keuchen lassen konnte, mußte jedem das Blut in den Adern erstarren lassen.

    Das Kamel hatte sich schon schlotternd von ihm zurückgezogen, als er nun auf der Schloßterrasse auf den Teppich trat, um pünktlich zur zwölften Stunde den Flug in die Burg Machatofel anzutreten.
    Als Löwe sah, wie alle in schreckensvoller Bewunderung vor ihm zurückwichen, wölbte sich sein Brustkasten vor Stolz, und er sagte: »Ich fühle mich so schrecklich, daß ich mich wahrscheinlich vor mir selber fürchten würde, wenn ich mir so um Mitternacht entgegenträte. Es ist zu schade, daß hier kein Spiegel ist, in dem ich mich sehen kann!«
    »Wünsch dir das nicht!« wisperte das Kamel. »Womöglich würdest du in Ohnmacht fallen — so wie ich, wenn ich dich noch lange ansehen muß.«
    »Schon möglich«, brummte Löwe. Denn gegen Gespensterfurcht ist selbst das tapferste Tier machtlos!
    Prinz Panja wünschte Löwe

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