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Gut gegen Nordwind

Gut gegen Nordwind

Titel: Gut gegen Nordwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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haben uns auf Anhieb gemocht. Wir verstehen einander blendend, in vielerlei Hinsicht. Aber es ist noch viel zu früh, um abschätzen zu können, wie sich die Dinge entwickeln werden. Und es ist noch viel zu früh, damit »hinaus«zugehen. Verstehen Sie, was ich meine? Mia und ich, wir müssen uns erst einmal über unsere Gefühle zueinander im Klaren sein: Was davon ist nur aus der Situation so entstanden, in der wir uns kennen gelernt haben? Was davon ist nur für den Augenblick bestimmt? Was aber könnte Bestand haben? – Das sind Fragen, die jeder nur einzeln für sich beantworten kann. Ich bitte Sie daher um Geduld, Emmi. In späteren Phasen werde ich Ihnen alles erzählen. Und was Mia betrifft: Ihr geht es vermutlich so ähnlich, gerade weil Sie ihre beste Freundin sind. Lassen Sie uns ein bisschen Zeit. Ich hoffe, Sie verstehen das. Lieber Gruß, Leo.
     
    Zehn Minuten später
    RE:
    Lieber Leo, Sie können mich (jetzt) weder sehen noch hören, deshalb verrate ich Ihnen: Ich sage Nachfolgendes in absoluter Ruhe und Gelassenheit, langsam, bedächtig, gar kein bisschen aufgekratzt, kreischend oder aggressiv, nein, nein, ich lege meine vollwertige Friedfertigkeit und Andacht in die nächsten Worte:Leo, ich habe noch nie so eine beschissene E-Mail gelesen wie jene, die Sie mir soeben zugemutet haben. Und tschüss!
     
    15 Minuten später
    AW:
    Das tut mir aufrichtig Leid für Sie, Emmi. Dann werde ich wohl besser eine E-Mail-Pause einlegen. Wenn Sie wieder gewillt sind, mit dem Sprachrohr Ihrer »Außenwelt« in Kontakt zu treten, dann melden Sie sich ruhig. Alles Liebe, Leo.
     
    Fünf Tage später
    Betreff: Ich sehne mich (...)
    Hallo Leo, wie geht es Ihnen beim »Entwickeln der Dinge«? Haben Sie und Mia Ihre Gefühle schon ein bisschen auseinander sortiert? Wissen Sie schon, was »nur für den Augenblick« ist und was »Bestand« haben könnte? Haben Sie schon »jeder für sich« ein paar »Fragen einzeln beantwortet«?
    Ach, ich sehne mich nach dem alten Leo, der gesagt hat, was zu sagen war, und der gefühlt hat, was zu fühlen war. Ich sehne mich so sehr nach ihm!!! Schönen Tag, Emmi.
    (PS: Über mich und Mia sind Sie ja vermutlich informiert. Nachdem ich gemerkt habe, dass auch sie offensichtlich nicht mehr weiß, was sie mir sagen soll, habe ich sie gebeten, Leo Leike als Tabuthema zwischen uns zu betrachten.)
    Drei Stunden später
    AW:
    Liebe Emmi, Ihre letzte Bemerkung war dezent untertrieben. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie zu Ihrer Freundin Mia vor einigen Tagen am Telefon gesagt: »Entweder du erzählst mir alles über dich und Leo – oder gar nichts. Im zweiten Fall schlage ich vor, dass wir unserer langjährigen Freundschaft ein paar Monate verdienter Auszeit gönnen.«
    Emmi, was ist los mit Ihnen? Ich verstehe Sie nicht. SIE waren es doch, die Mia und mich zusammengebracht hat. SIE wolltenunbedingt, dass ich sie kennen lerne. SIE haben in uns das Traumpaar gesehen. Warum sind Sie jetzt so zynisch und bösartig? Waren Sie sich Ihrer Ergänzung zum Innenleben, Ihres außerfamiliären Besitzes Leo zu sicher? Sind Sie jetzt verärgert, weil Sie glauben, Sie haben Ihr virtuelles Eigentum an Ihre beste Freundin verloren?
    Emmi, ich war über Monate keinem Menschen näher als Ihnen. Und ich war (und bin) so froh, dass unsere Versuche, uns »physisch« zu begegnen, allesamt gescheitert sind. Es ist mir egal, wie Sie aussehen, solange ich Sie so sehen kann, wie ich Sie sehen will. Ich bin dankbar, dass ich nicht erfahren muss, dass Sie in Wirklichkeit eine andere sind als »meine Heldin Emmi aus meinem E-Mail-Roman«. Da sind Sie perfekt, die Schönste der Welt, da kommt keine an Sie heran.
    Aber Emmi, es gibt da eben keine Steigerung mehr für uns. Alles andere spielt sich außerhalb unserer beiden Bildschirme ab. Mia ist der beste Beweis dafür. Ich will ehrlich sein: Es hat mich zunächst ziemlich gekränkt, dass Sie mich mit ihr verkuppeln wollten. Mein erstes Treffen war eher eine Art Trotzreaktion an Ihre Adresse, Emmi. Aber dann habe ich schnell begriffen, was den Unterschied zwischen Ihnen und ihr ausmacht. Sie, Emmi, wagen nicht einmal, Ihr Piano zu beschreiben, weil es in meiner Welt so absolut nichts zu suchen hat. Mia aber beugt sich einen halben Meter von mir entfernt über einen winzigen Tisch und wickelt Spaghetti al Pesto über den Löffel. Wenn sie den Kopf zur Seite dreht, spüre ich den Luftzug, der dadurch entsteht. Ich kann sie gleichzeitig sehen, hören, angreifen,

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