gute freunde - boese freunde
abänderte und so Herr über ihre Accounts wurde. Ich fragte sie, wie sie sich in den ersten Sekunden Facebookless fühlten:
»Ich habe ganz feuchte Hände, wenn ich nun weiß, dass ich zum letzten Mal drauf bin.«
31, weiblich
»Ich hab grad das Gefühl, dass ich ein Drogenentzugsprogramm starte und soeben meine Seele verkaufe.«
27, weiblich
»Wie wenn ich eine Zeit lang meinen Hund nicht sehe – Wehmut macht sich breit.«
31, männlich
»Vergleichbar, wie wenn man einem kleinen Kind mitteilt, dass seine Mutter gestorben ist und es sich seiner Lage noch nicht bewusst ist.«
21, weiblich
»Wie wenn ich mein Tagebuch aus der Hand geben würde.«
21, weiblich
»Wie beim Zoll am Flughafen, wenn man die Wertsachen abgeben muss. Man weiß, dass man alles gleich wieder bekommt. Trotzdem bleibt ein Gefühl der Unsicherheit.«
19, männlich
|38| Phase Zwei Der 3 0-tägige Entzug
Während ihrer Abstinenz sollten mir meine Probanden täglich eine Status-Meldung schicken. Oder eine Zeichnung. Oder eine Collage. Irgendetwas, damit ich mir ein Bild machen konnte, wie es ihnen gerade ging. Um der Sache ein wenig Nachdruck zu geben, hatte ich die Zahlung des »Honorars« gestaffelt – für das erste Interview gab es 80,– Schweizer Franken, 100,– waren für das letzte Gespräch in Aussicht gestellt und für jede einzelne Statusmeldung 4,– Euro. Alle drei Tage machte ich mich dann daran, die gesammelten Werke zu lesen:
»Ich habe in der Nacht von Facebook geträumt! Muss ich mir Sorgen machen?«
31, weiblich
»Ohne Facebook ist es, als ob alle auf Klassenfahrt wären ohne mich – fühle mich total ausgeschlossen.«
27, weiblich
»Heute habe ich fast nicht an Facebook gedacht, bis mich gewisse Leute gefragt haben, ob ich nicht zu dieser oder jener Party käme und ich darauf geantwortet habe, dass ich nichts davon wüsste. Selbst schuld, wenn du nicht mehr auf Facebook bist, kam die Antwort postwendend.«
26, weiblich
»Wie lange geht das denn noch? Vorwürfe von allen Seiten, dass ich nicht mehr online bin … Zum Glück ist es kein Schrecken ohne Ende. Alles wird gut.«
31, männlich
|39| »Es ist unglaublich, meine Facebookless-Zeit schlägt riesige Wellen. Freunde aus New York kontaktieren mich sogar und wollen wissen, ob ich mich unflätig verhalten habe und deshalb gesperrt wurde. Weiterhin muss ich mir wahnsinnig viele Witze anhören, und die Leute behaupten, sie würden extra Gruppen bilden, nur, damit ich etwa verpasse. Dabei vermisse ich es nicht so extrem. Mir kommen zwar 1.000 Artikel, Lieder, Fotos in den Sinn, die ich posten möchte. Aber ich bin ausgeglichener als sonst.«
27, weiblich
»Freundin seit zehn Tagen im Spital, und ich habe erst gestern davon erfahren! Sie hatte sich schon gewundert, warum ich mich nicht melde.«
35, weiblich
»Das Getreide auf meiner kleinen Farm geht ein. Mist!«
31, männlich
PS: Natürlich durchforstete ich auch immer mal wieder das Internet, um herauszufinden, ob alle auch tatsächlich offline blieben. Sie blieben.
Nach dem Entzug
Ein Studienteilnehmer hielt nicht bis zum Ende durch – ich hatte mit mehr Abbrechern gerechnet und war positiv überrascht. Die anderen 49 erschienen pünktlich, zum Teil überpünktlich, nach einem Monat, um sich ihr Passwort (und das End-Honorar) abzuholen.
|40| Die zehn wichtigsten Erkenntnisse der Studie
Wer facebookless ist,
1. … konzentriert sich mehr auf das eigene Profil
Facebook wird oft zum Aufpolieren des eigenen Images genutzt. Man lebt, denkt und handelt sozusagen nicht mehr für das reale Erlebnis, sondern für das Forum. Das machte das Leben für viele StudienteilnehmerInnen ganz schön anstrengend:
»Mir wurde bewusst, dass man auf Facebook eigentlich oft gar nicht sich selber ist, sondern durch seine Aktivitäten im Stil von ›Privatmarketing‹ ein Image kreiert. Ich sehe Facebook nach diesem Monat oberflächlicher als zuvor.«
31, männlich
»Es war so relaxing, dass man in dem einen Monat nicht den Drang verspürte, nachzuschauen, was alle anderen so machen. Der Fokus war mehr auf mich gerichtet.«
28, weiblich
2. … fühlt sich sozial ausgegrenzt
Wer nicht dabei ist, verpasst einiges – so der Eindruck, den viele schilderten. Das wirkte sich nicht nur auf Themen und Veranstaltungen aus, die man verpasst, sondern auch auf den Mangel an Gesprächsstoff, den Facebook konstant liefert:
»Am schwierigsten war es in der Schule, z. B. über Mittag. Alle waren auf Facebook und hatten
Weitere Kostenlose Bücher