Gute-Nacht-Geschichten vom kleinen Apfelbäumchen
kleine Baum gewusst hätte, was durch dieses Erlebnis auf ihn zukommt!
Das Frühjahr war regnerisch, aber mild. Überall wuchsen die Pflanzen in saftigem Grün. Auch der Apfelbaum hatte sein neues Blätterkleid angelegt und freute sich auf die zahlreichen Blütenbüschel, die sich bald öffnen würden. Der angekratzte Ast war schnell verheilt und alle Spuren des winterlichen Missgeschicks beseitigt. Doch der kleine Baum hatte den Eindruck, dass an diesem Zweig doch nicht alles in Ordnung war. Bereits nach wenigen Wochen merkte er, wie recht er damit hatte. Ein Samen der Mistel, von der Federchen im Winter gegessen hatte, war gekeimt und macht sich daran, in das Holz des Astes einzudringen. Es war nicht viel, was dieser Keimling dem Apfelbaum stahl. Nicht mehr als eines seiner Blätter auch von den Nährstoffen aufnahm, die von der Wurzel kamen. Doch im Gegensatz zu den Blättern gab dieser Keimling keinen süßen Saft zurück. Stattdessen wuchs er, zwar sehr langsam, aber stetig. Noch interessierte den Apfelbaum der Verlust an Wasser nicht. Es war zu wenig, als dass er sich Sorgen gemacht hätte.
Eines Tages kam Federchen vorbei.
“Na, da hast du mir ja etwas eingebrockt!”, sprach der Baum den Vogel an. Der wusste natürlich nicht, was gemeint war.
“Wie meinst du das?”, fragte die Amsel zurück.
“Sieh dir einfach mal den Ast an, auf dem du im Winter gesessen hast. Da wächst etwas, das mir Wasser wegnimmt - so ein Schmarotzer!”, erwiderte der Baum. Die Amsel hüpfte von Ast zu Ast und besah sich schließlich die kleine Pflanze.
“Das soll ich gewesen sein?” fragte sie ungläubig. Und nachdem sie sich das grüne Etwas näher angesehen hatte, fügte sie hinzu: “Nun, es sieht tatsächlich so aus wie die Pflanze, von der ich im Winter die Beeren gegessen habe. Das ist aber schön! Vielleicht finde ich dann auch bei dir im Winter etwas zu essen. Stört dich das Pflänzchen sehr?”
“Noch stört es mich überhaupt nicht. Aber ich weiß ja auch nicht, wie groß es einmal wird. Weist du es?”, antwortete der Apfelbaum, der im Laufe seines jungen Lebens schon unangenehme Erfahrungen mit Dingen gemacht hatte, die alle klein und unscheinbar anfingen.
“Ähm, ja, schön dass wir wieder einmal miteinander gesprochen haben. Ich muss aber jetzt weiter.”, wich Federchen der Frage des Apfelbaumes aus und flog schnell davon.
Diese Eile kam dem kleinen Apfelbaum sehr verdächtig vor. Er hatte den Eindruck, dass der Amsel plötzlich etwas klar wurde, worüber sie aber nicht sprechen wollte. Deshalb beobachtete er das Ding ganz genau. Doch bald schon erlahmte seine Aufmerksamkeit, weil nichts passierte. So freute sich der kleine Baum über das Wetter, seine zahlreichen Blüten und träumte von einem wunderschönen Sommer.
17. Der unbeachtete Schmetterling
Der Frühling wurde mit jedem weiteren Tag schöner und die kleine Pflanze auf dem Ast des Apfelbaumes wuchs. Eines Tages fiel das auch dem Apfelbaum wieder auf. Und während er noch ängstlich auf die Mistel an seinem Zweig achtete, kam ein schöner bunter Schmetterling geflogen. Der kleine Baum bemerkte ihn nicht, da er voller Sorge über die schmarotzende Pflanze war. Doch mit dem Schmetterling bahnte sich das nächste Unglück an. Der Baum schien den Ärger regelrecht anzuziehen. Der Schmetterling tat das, was auch schon der Apfelblütenwickler im Jahr zuvor tat: Er legte seine Eier ab, allerdings nicht an den Äpfeln, sondern auf die Blätter. Als sich der kleine Apfelbaum wieder wegen der Mistel beruhigt hatte und sich über seine zahlreichen Blüten und das Wetter freute, wuchsen in den Eiern die Kinder des Schmetterlings heran.
Eines schönen Tages wackelten und zappelten die Eier. Sie platzten auf und heraus krochen kleine, hungrige Raupen. Ohne sich mit Jammern aufzuhalten, machten sie sich über die frischen Blätter her. Einerseits staunte der kleine Apfelbaum darüber, wie viel diese Raupen essen können. Andererseits war er entsetzt über die Löcher in seinen Blättern.
“Ahorn, Hagebutte, könnt ihr Federchen sehen?”, fragte der Baum, der hilflos mit ansehen musste, wie seine Blätter jeden Tag löchriger wurden.
Doch die Amsel schämte sich offensichtlich immer noch wegen ihres winterlichen Missgeschicks. Und auch das Unbehagen, dass die Mistel sehr groß werden kann und sie nicht den Mut hatte, es dem Apfelbaum zu sagen, machte ihr noch zu schaffen. Deshalb war weit und breit nichts von Federchen zu
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