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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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und du gehst nach vorn, Soldat spielen!«
    Der Haushalt gleicht, da auch die Omama und die Mama sehr genau sind, einer gut geölten Maschine, in deren Ablauf nur ich einige Unberechenbarkeiten bringe. Das ist aber auch nur der Fall, wenn ich von der Land- zur Seekriegführung übergehe und meine Flotten um die verschiedenen Teppichecken bis in den Salon segeln lasse, der zwischen dem Arbeitszimmer und dem Eßzimmer liegt.
    Der Salon wird von der Mama abwechselnd >die Schreckenskammer< oder die >kalte Pracht< genannt. Darin steht nämlich — außer dem Klavier — ein Kachelofen für Anthrazit, der nur an Sonntagen geheizt wird, weil die Omama den Anthrazit zu teuer findet. Davor prangt einer von Mamas Ofenschirmen, dreiteilig, mit einem großen Bernhardinerkopf, einer Freischützlandschaft (Quelle — Schlucht — Gewitterhimmel) und einem Blumenstilleben, vor dem aus unerfindlichen Gründen ein knallroter Hummer liegt. Das einzige, was mich an dem Zimmer interessiert, ist ein Eisbärenfell vor dem Ofen und eine große Muschel auf dem Ecktisch, in der man das Meer rauschen hört, wenn man sie ans Ohr hält. Für die Flottenmanöver benutze ich den Salon nur, wenn er geheizt ist, oder im Sommer. Sonst spiele ich dort nur gelegentlich Eskimo. Ich ziehe dann Handschuhe und meine Pudelmütze an, hole aus dem Schrank Mamas alte Pelzjacke und einen Zuluspeer von der Wand. Der Ecktisch wird zur Eisscholle ernannt, von der herunter ich den Eisbären harpuniere, der mich mit aufgerissenem Schlund und riesigen Eckzähnen bedroht. Mitunter erschieße ich ihn auch mit einer Araberflinte, die ich sehr gern habe, weil sie ziemlich leicht ist und einen enorm langen Lauf hat.
    Manchmal auch, wenn mir in der Schule Latein und Mathematik allzusehr zum Halse heraushängen, setze ich mich über Mittag, wenn alles schläft, einfach so in den Salon und hoffe, daß ich einen Schnupfen oder sogar eine Mandelentzündung bekomme. Mitunter gelingt es mir.
    Die Schule habe ich gar nicht gern. Früher war ich einer der Besten, aber seit Latein und Mathematik geht es ständig abwärts mit mir. Ich mogele mich nur noch so durch und kann die meisten Lehrer nicht leiden, weil sie mir vorschreiben wollen, was ich zu denken habe. Die Kameraden quälen mich, weil sie mich wegen meiner dünnen Beine >Storchbein< nennen und weil ich sie nicht alle verhauen kann. Bei den meisten gelingt es mir, denn ich bin trotz meiner Magerkeit sehr kräftig und prügele mich mit wilder Inbrunst. Manche aber sind einfach zu stark. Besonders einer reizt mich, ein großer Dunkler, der Thomas heißt. Ich falle ihn immer wieder an und versuche ihn niederzuringen. Er aber steht einfach da wie ein Klotz, wirft mich dann mit einem Ruck auf die Schulter, lacht mir ins Gesicht und sagt: »Willst du noch mehr, Storchbein?«
    Ich habe auch einen Haufen Freunde, aber die fahren meist Rad, was mir verboten ist, und wenn ich sie mit meinen Soldaten spielen lasse, ist es kein Vergleich zu den wunderbaren, wohldurchdachten Kämpfen, die Opapa und ich uns liefern. Die meisten Jungen haben auch Brüder und Schwestern, mit denen sie sich um die Spielsachen zanken müssen. Ich bin dann immer froh, wenn ich wieder zu Hause und bei meinen Soldaten, Schilfen, Waffen und Briefmarken sitze.
    Trotzdem fehlt mir etwas, ich weiß nur nicht, was es ist.
    Winterabend — 1913. Nun sitze ich wieder am Abendbrottisch. Die Gasflammen kochen über mir. Der Rest des Zimmers liegt im Dunkel. Auf dem Tisch steht das übliche spartanische Abendbrot: Zwei Enden weiche Wurst, eine rot, eine grau, Butter, die mir aufgestrichen wird, Schmalz, Brot und eine Tasse Tee.
    Ich friere und versuche, das Abendbrot abwechslungsreicher zu gestalten, indem ich aus grauer und roter Wurst und Schmalz eine Paste forme und mit der Gabel Kerben darin mache. Der Erfolg ist kümmerlich. Tee mag ich nicht, und das Glas Milch, das mir als Ersatz angeboten wird, verschmähe ich, weil ich ja schließlich kein Säugling mehr bin.
    Nach dem Abendessen steht Opapa auf und geht nach vorn an den Italienerschrank. Ich höre, wie er im Dunkeln rumort, und weiß, jetzt holt er den Anzünder aus der Ecke, eine Messingröhre, in der ein langer wachsumhüllter Draht sitzt, den man herausschieben kann. Dann geht mit einem Puff das Gaslicht an, die Schranktür knarrt.
    Ich schlendere nach vorn. Opapa steht versunken vor seinen Schätzen. Dann räuspert er sich, holt eine Zigarrenkiste heraus und entnimmt ihr umständlich eine Zigarre, deren

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