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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Teil 1
    Als die schwarzen Schuhe und darüber die schwarzen Hosenbeine in ihr Blickfeld gerieten, zuckte Patrizia Bracht zusammen und richtete sich langsam auf. Sehr langsam, um ein bisschen Zeit zu gewinnen. Er kam um die gemauerte Seitenwand des Vordachs herum lässig die drei Stufen herauf, lehnte sich mit einer Schulter gegen die Mauer, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute auf sie hinunter. Selbst als sie ihm dann aufrecht gegenüberstand, war sie noch gut einen Kopf kleiner als er, war nicht mehr gewachsen in den vergangenen Jahren.
    Halb elf, das war die Zeit für den Postboten. Einmal kurz klingeln war das Zeichen für einen großen, sperrigen Umschlag oder ein Päckchen. Für etwas, das nicht durch den Schlitz im Briefkasten passte. Der Postbote war immer in Eile und wartete nicht ab, bis jemand an die Tür kam. Er legte einfach auf den Fußabtreter, was sich nicht durchschieben ließ, drückte kurz auf den Klingelknopf und war schon wieder weg.
    Einen Hektiker hatte Edmund den Postboten einmal genannt. Eddi! Sie nannte ihren Mann nie bei seinem vollen Namen, sie dachte nicht einmal an ihn als Edmund. Für sie war er Eddi. Früher war er Ed gewesen, in besonderen Situationen war er das immer noch.
    Ed war Psychologe. Psychotherapeut, um genau zu sein. Er verstand alles und konnte alles erklären. Was Menschen dachten, fühlten und taten, warum sie so und nicht anders empfanden, agierten und reagierten. Ed konnte sogar erklären, warum ein Mann, den er nie zu Gesicht bekam, immer in Eile war und alles, was nicht durch den Schlitz im Briefkasten passte, einfach auf den Fußabtreter legte.
    Egal! Damit jedenfalls hatte sie gerechnet, mit einem Päckchen oder einem sperrigen Umschlag. Sie hatte zu Beginn der Woche in einigen Internet-Shops gestöbert, ein Paar Schuhe und ein Buch bestellt. Deshalb hatte sie die Tür geöffnet und sich sofort gebückt. Reine Gewohnheit. Sie hatte ja auch durch den Glaseinsatz in der Haustür niemanden draußen gesehen.
    Er musste geklingelt haben und die drei Stufen sofort wieder hinuntergestiegen sein, um hinter der Seitenwand abzuwarten, wer an die Tür kam. Ed hätte vermutlich auch das erklären können, hatte es in einem anderen Zusammenhang wahrscheinlich schon getan. Aber was Ed schon einmal getan oder nicht getan hatte, war nicht mehr wichtig in diesem Moment, in dem sie um sieben Jahre zurückgeschleudert wurde.
    Sein Hemd war ebenso schwarz wie die Lederschuhe, die Hose und die Jacke, die er sich lässig über eine Schulter gehängt hatte und mit untergehaktem Finger am Kragen festhielt. Es war drückend und schwül. Die erste Septemberwoche. Den ganzen August über hatte halb Europa unter einer Hitzewelle gestöhnt. Temperaturen, wie man sie sonst nur im Süden kannte, und kein Tropfen Regen. Heute war der Himmel bewölkt, für den Nachmittag waren Schauer angekündigt. Aber es war immer noch so warm, dass man wahrhaftig keine Jacke brauchte.
    Bei ihm war das anders, er trug diese Jacke als Erkennungszeichen oder Statussymbol. Garantiert hatte sie doppelt so viel gekostet wie der Anzug, den Eddi zur Hochzeit getragen hatte, und der war alles andere als billig gewesen.
    Sie starrte ihn an, spürte ihren Herzschlag in der Kehle pochen und registrierte im ersten Augenblick nur, dass sich nichts an ihm verändert hatte. Absolut nichts! Die Kleidung, die Schuhe, seine Frisur, alles war noch wie damals. Da hatte er die Haare auch etwas länger als andere und mit Seitenscheitel getragen, sodass ihm jedes Mal eine Strähne in die Stirn fiel, wenn er den Kopf ein wenig neigte oder senkte. Nicht einmal älter schien er geworden, er war von Kopf bis Fuß noch genau so, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte.
    Vor sieben Jahren.
    In einem Gerichtssaal.
    Wo sie nach der Urteilsverkündung zu ihm gehetzt war und sich an ihn geklammert hatte in dem irrsinnigen Glauben, ihn auf diese Weise halten zu können. In der Hoffnung, ihre Umarmung würde aller Welt begreiflich machen, dass man ihn nicht einsperren, dass man sie beide nicht trennen durfte, weil sie ohne ihn unmöglich weiterleben konnte.
    Aber die Welt hatte auf große Gefühle gepfiffen, hatte keine Augen für den Schmerz und die Verzweiflung einer Liebenden gehabt. Zwei Polizisten hatten ihn unbarmherzig von ihr fortgerissen und auf die Tür im Hintergrund zugeschoben, durch die sie ihn vor Beginn der Verhandlung hereingebracht hatten. Und sie hatte sich gewünscht zu sterben, auf der Stelle tot umzufallen, zumindest in

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