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Guten Abend, Gute Nacht

Guten Abend, Gute Nacht

Titel: Guten Abend, Gute Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeremiah Healy
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einen überraschend bequemen grünen Kunstlederstuhl.
    Zehn Minuten später eskortierte ein stämmiger Wärter einen schlanken schwarzen Mann herein, den ich von den Fernsehbildern als William Daniels wiedererkannte. Daniels trug ein lindgrünes Häftlingshemd und eine verschossene grüne Hose. Er hatte den anmutigen Gang und die feinen Gesichtszüge eines jungen Arthur Ashe. Er musterte mich mißtrauisch, als ich aufstand, um ihm die Hand zu schütteln, während der Wachmann die Tür hinter sich schloß und an eine Stelle zurückkehrte, von wo aus er uns im Auge halten konnte.
    »Mein Name ist John Cuddy. Ich bin Privatdetektiv. Ich habe Ihrer Mutter versprochen, mich um Ihren Fall zu kümmern.« Daniels ignorierte meine ausgestreckte Hand. Er setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber, blinzelte mich an und grinste spöttisch. »Sie wählen Ihre Worte sehr sorgfältig, was?«
    »Ich versuche es«, sagte ich, ließ die Hand sinken und setzte mich.
    »Nicht gesagt haben Sie, daß der Bullen-Freund meiner Mama Sie gebeten hat, mich abzuchecken, damit Sie ihr sagen können, ich wäre schuldig.«
    »Sie sind intelligent genug zu wissen, daß Sie jede Hilfe brauchen, die Sie kriegen können.«
    Er lachte. »Ja, genau. Okay, ich erspare Ihnen jetzt eine Menge Ihrer so großzügig zur Verfügung gestellten Zeit. Ich habe es getan. Ich erinnere mich daran, es getan zu haben. Und ich bin froh, daß ich es getan habe.« Er sah alles andere als froh aus.
    »Hören Sie, ich...«
    »Also lassen Sie’s einfach dabei bewenden, hmh? Lassen Sie das Ganze und mich einfach in Ruhe!«
    Seine Stimme hob sich gegen Ende genug, daß der Wachmann ein paar Schritte vortrat. Ich schüttelte den Kopf, und der Wachmann zog sich vorsichtig wieder zurück.
    Daniels wirkte mürrisch, beleidigt. »Könnte es schaden«, sagte ich, »wenn Sie mir erzählen, was passiert ist?«
    »Wissen Sie, ich muß überhaupt nicht mit Ihnen reden. Ich kann jederzeit einfach aufstehen und gehen.«
    »Ich weiß. Sie können zu dem Officer da drüben gehen, der Sie wieder in Untersuchungshaft bringt oder zu den anderen Häftlingen oder wo auch immer Sie untergebracht sind. Dann warten Sie, daß Rothenberg versucht, eine Reduzierung der Anklage rauszuschleimen. Vielleicht kriegt er es ja sogar hin, daß Sie ein Urteil bekommen mit der Chance, auf Bewährung entlassen zu werden. So etwa um die Jahrhundertwende herum.«
    »Was wissen Sie denn von der ganzen Sache, verdammt noch mal?«
    »Nicht viel. Deshalb bin ich hier.«
    Er senkte den Kopf. »Hören Sie, Sie verschwenden nur Ihre Zeit. Die haben mich. In jeder Hinsicht. Mein Mädchen, meine Kanone, ein ganzes beschissenes Zimmer voller Zeugen. Scheiße, wenn die so was im Fernsehen bringen, würde die Show sofort abgesetzt. Zu langweilig.«
    »Ich glaube nicht, daß Sie wirklich kapiert haben, um was es geht«, sagte ich behutsam. »Sehen Sie, Sie sollten mir Ihre Version der Geschichte erzählen, dann versuche ich...«
    »Ach, Mann, was für eine Scheiße soll das denn sein? Meine Version ist ihre Version. Ich hab’s getan, Mann. Die haben mich am Arsch, und das wissen sie genau. Da wird auch kein grinsendes irisches Gesicht was dran ändern.«
    »William...«, fing ich an, doch er war bereits aufgestanden und machte dem Wärter ein Zeichen, daß er fertig war.
     
    Als ich mit der U-Bahn zurück nach Boston fuhr, versuchte ich mir über meine nächsten Schritte klar zu werden. Am einfachsten wäre es gewesen, Murphy anzurufen, ihm zu sagen, daß ich Williams Schuld bestätigen mußte, und anschließend die Nachricht meines Abganges Mrs. Daniels mitzuteilen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger einfach kam mir dieser Weg vor. Ich hatte nichts anderes getan, als ein paar Berichte zu lesen, mit einem enttäuschten Anwalt zu reden und ein Gespräch mit meinem Klienten zu verpfuschen. Nicht gerade das, was man gründliche, professionelle Arbeit nennt. Andererseits konnte ich drei oder vier Tage damit verbringen, den Namen aus der Akte nachzulaufen. Dann konnte ich einen nach dem anderen abhaken, wenn er oder sie bestätigte, wovon alle außer Mrs. Daniels überzeugt waren: Daß ihr Sohn Jennifer Creasy erschossen hatte.
    Während der Zug aus irgendeinem Grund in einem Tunnel anhielt, beschloß ich, Murphy anzurufen und ihm zu sagen, daß der Junge nicht mit mir sprechen wollte. Dann konnte Murphy versuchen, Mrs. Daniels zu bewegen, William umzustimmen. Falls das auch nicht klappte, war ich aus dem

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