Hab ich selbst gemacht
ist es mir die Mühe des Backens nur noch wert, wenn ich anschließend einen Haufen Komplimente bekomme. Eigentlich jämmerlich.
Ansonsten, was habe ich seither noch selbst gemacht? Zwei Bechermuffs wie die, die ich der besten Freundin geschenkt habe, habe ich auch für unsere henkellosen Kaffeebecher gehäkelt. Denn auch wir haben unseren Kaffee und Tee bisher mit spitzen Fingern getrunken. Jetzt: entspanntes Schlürfen dank wolliger Muffs.
Und ich habe gleich zu Beginn des Jahres einen kleinen Strickanfall bekommen. Der Mann und ich werden Eltern, und ganz plötzlich musste ich zwanghaft stricken. Und habe festgestellt: wenn schon Klamotten stricken, dann für Babys. Die Sachen sind so schön klein, dass man an einem Kleidungsstück gerade mal ein Wochenende lang strickt. Und so sind seitdem zwei Strickjacken und zwei Mützen entstanden – ruck, zuck. Und was mir am Selberstricken für dasBaby noch gefällt: Ich muss dem Kind weder Rosa noch Hellblau antun. Bei einer Runde durch die Babyabteilungen der Kaufhäuser wird mir nämlich schlecht – mein Magen verträgt diese geballte Puderfarbigkeit einfach nicht gut. Stattdessen: Kaufte ich mir ein paar Knäuel türkise, orange, gelbe und grüne Wolle. Das Kind bekommt schöne Retroklamotten, in leuchtenden Farben – geringelt.
Beim Stricken hatte ich dann auch einen erhellenden Moment: Ich strickte unter anderem während einer Zugfahrt; endlich wollte ich wissen, ob es sich nun tatsächlich revolutionär anfühlt, in ungewohnter Umgebung zu handarbeiten – wie mir letztes Jahr die Kulturwissenschaftlerin Elke Gaugele gesagt hatte. Nun ja, es fühlte sich vor allem komisch an. Ich musste mich erst einmal überwinden, das Strickzeug aus der Tasche zu nehmen und mich daran gewöhnen, dass mir Leute bei meinem Hobby zusehen konnten. Hobbys waren für mich bis dahin etwas Privates – weil ich weder angle noch Fußball spiele, Kart fahre oder Ähnliches, was man draußen verrichtet. Noch komischer fühlte ich mich, als ich bemerkte, dass mich während der gesamten Fahrt eine ältere Dame von schräg gegenüber beobachtete. Sie las nicht, sie schlief nicht, sie schaute die ganze Zeit nur abwechselnd aus dem Fenster oder mir auf die Stricknadeln und sah irgendwie zerknirscht aus. Was mich nervös machte.
Bis sie am Ende ihrer Fahrt ihre Sachen packte und im Vorbeigehen sagte: »Mensch, ich habe mich jetzt die ganze Fahrt geärgert, dass ich mein Strickzeug zu Hause vergessen habe.« Ich lächelte sie an und dachte bei mir: ›Also, Stricken im Zug – völlig unrevolutionär.‹
Während ich so strickte und draußen vor dem Zugfenster Stunde um Stunde die Landschaft vorbeizog, dachte ich darüber nach, was ich am Anfang meines Selbermachjahres alles hatte herausfinden wollen: warum Menschen das Arbeiten mit den eigenen Händen wiederentdecken, ob es tatsächlichSelbstgemachtes gibt, das glücklich macht, und überhaupt: was alles möglich ist. Fast alles, weiß ich nach dem Jahr. Auch wenn ich noch lange nicht alles ausprobiert habe. Aber wenn man sich in den Kopf setzt, etwas mit den eigenen Händen herzustellen anstatt es zu kaufen, dann geht das auch. Meistens jedenfalls. Mit etwas Hilfe, mit Geduld und vor allem der Lust, etwas Neues anzupacken – und es dann auch zu Ende zu bringen. Vor allem an Letzterem scheitern wohl die meisten Projekte, ich sehe es ja an meiner Hose, die immer noch unfertig auf der Nähmaschine liegt. Und vorerst auch nicht fertig werden muss – ich passe mit dem Babybauch sowieso nicht hinein.
Wenn ich mir jetzt das Protokoll ansehe, das ich am ersten Tag meines Selbermachjahres geführt habe, stelle ich stolz fest: Ich käme mit ausschließlich selbst gemachten Dingen durch den Tag, ohne frieren oder hungern zu müssen.
Aber es ist gut, auch in diesem Jahr noch Selbermach-Ziele zu haben. Ganz oben steht weiterhin: einen Kleiderschnitt selber machen. Dieses Jahr wirklich! Und gleich dahinter: lernen, Socken zu stricken. Denn obwohl ich mittlerweile sogar ein Sockenstrickbuch besitze und sowohl meine Mutter als auch meine Oma behaupten, Socken zu stricken sei das Einfachste überhaupt, habe ich dieses Projekt im vergangenen Jahr einfach nicht angepackt. Vor allem aus Scheu davor, mit einem »Nadelspiel« zu stricken, also immer im Kreis von Masche zu Masche, die auf vier Nadeln verteilt sind. Das sieht kompliziert aus, sehr viel komplizierter als das einfache Stricken von links nach rechts. Aber vor ein paar Tagen hat mir die beste
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