Hab ich selbst gemacht
in einem Büro, in dem auch andere selbstständige Autorinnen und Autoren arbeiten. Ich biete Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen Texte an und verbringe deswegen meine Arbeitszeit vor allem am Computer, mit Lesen und Telefonieren.
Die Wochenenden mag ich faul, verbummele sie gern gemeinsam mit dem Mann meines Herzens. Er ist ebenfalls Journalist, und so ein Wochenende verbringen wir vor allem mit Lesen: zum Beispiel während des Frühstücks verschiedene Zeitungen, das sich dadurch bis weit über die Mittagszeit hinaus erstreckt. Dann treffen wir Freunde und erledigen ein paar unangenehme Dinge wie den Hausputz oder Behördenbriefe. Später lesen wir wieder: Bücher und Magazine. Manchmal fahren wir auch aufs Land, zu den Eltern des Mannes, von denen wir uns dann zwei Tage lang verhätscheln lassen. Gerade die Wochenenden sind also nicht so stressig, als dass ich nicht an diesen zwei Tagen in der Woche und an den Abenden auch das eine oder andere selbst machen, meine Hände benutzen könnte.
Eigentlich könnten die nämlich einiges: Als Kind habe ich Häkeln und Stricken gelernt, habe es aber schon lange nicht mehr gemacht. Auch Nähen habe ich als Jugendliche gelernt – außer der einen oder anderen Gardine nähe ich aber so gut wie nie etwas. Dabei wird in meiner Familie seit Generationen gestrickt und genäht, überhaupt: selbst gemacht. Meine Mutter ist sogar gelernte Schneiderin, meine Schwester ist Ergotherapeutin, meine Oma war Köchin, mein Opa Konditor. Angesichts meiner Herkunft schlage ich aus der Art mit meinem Job, bei dem die Hände nur zum Tippen gut sind.
Ich hatte in der Schule Werk- und Schulgartenunterricht. Was ich da gelernt habe, ist mir im Laufe der Jahre verloren gegangen. In meinem Leben habe ich eine ganze Reihe Ikea-Schränke auf-, aber noch kein Möbelstück selber gebaut.
An den Wochenenden, aber auch an den Abenden könnte ich also meinen Händen Auslauf geben, könnte sie und mich herausfordern.
Seitdem ich darüber nachdenke, ein Jahr lang alles selber zu machen, stoße ich vor aber allem auf ein Problem: Ich vermute nämlich, wenn ich wirklich alles selber mache, dann werde ich auch bei striktem Faulenz-und-Bücher-Verbot gerade mal dazu kommen, mir die lebensnotwendigen Basics selbst herzustellen: mein Essen und meine Kleidung. Das allerdings würde mein Abenteuer auf schlichte Maloche schrumpfen lassen, weil mir beim täglichen Brot-Butter-Käse-Saftmachen und Wollespinnen-weben-zuschneiden-nähen kaum Zeit bleiben würde, zum Beispiel mal einen Schreiner- oder Schuhmacherkurs zu besuchen. Ganz so streng kann ich also nicht sein – alles selber machen wird nicht heißen, alles immer selber zu machen.
Trotzdem braucht das Abenteuer ein paar Regeln. Um genau zu sein: fünf.
1.
Meinen Lebensstandard will ich beibehalten.
2.
Dinge, die ich selber machen kann, kaufe ich nicht, sondern mache sie auch selber.
3.
Was einfach geht, mache ich grundsätzlich und das ganze Jahr über.
4.
Was schwieriger ist, probiere ich und lasse mir eventuell helfen.
5.
Nur was mich wirklich unglücklich macht, darf ich sein lassen.
Auf den ersten Blick mögen meine Regeln nicht besonders bedrohlich erscheinen, aber für mich sind sie eine Herausforderung. Punkt zwei beispielsweise legt fest: Ich darf ein Jahr lang keine Klamotten kaufen. Denn eigentlich kann ich nähen, ich tue es nur nie. Punkt drei kann bedeuten, dass ich zwölf Monate lang Dinge machen muss, die ich langweilig finde. Und Punkt vier heißt nichts anderes, als dass mir meine wichtigste Ausrede abhanden kommt: »Das kann ich nicht.« Was ich nicht kann, muss ich lernen, mir von jemandem beibringen lassen, sei es von einer Person oder einem Buch. Und was ich nicht weiß, muss ich recherchieren.
Dieses Jahr wird deswegen nicht nur eine Reise zu den Grenzen meiner handwerklichen Fähigkeiten, sondern auch eine Expedition in die Welt der Selbermacher. Ich will wissen, warum Menschen das Arbeiten mit den eigenenHänden wiederentdecken, ob es tatsächlich Selbstgemachtes gibt, das glücklich macht, wie es die Zeitschriftenartikel behaupten. Ich will auch wissen, was alles möglich ist, was man unbedingt ausprobieren muss, wofür man kein Geld auszugeben braucht und wo man die besten Ratschläge findet. Ich werde nach und nach die Dinge abhaken, bei denen ich mir in der letzten Zeit dachte, ich sollte sie mal selber machen. Ich werde – jedenfalls hoffe ich das – nach diesem Jahr einfach ein bisschen schlauer sein. Und vielleicht
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