Hab ich selbst gemacht
ihr jetzt nicht mehr, er sei zu trocken, langweilig und doof.« Oh Gott, jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich wollte doch meiner Oma nicht ihren Dresdner Stollen verleiden. Andererseits muss ich gestehen, dass ich mich diebisch freue.
Dann werde ich ihr nächstes Jahr einen selbst gebackenen Stollen schicken. Pünktlich zum 1. Advent.
Und dieser Plan bringt gleich eine neue Idee mit sich: Weil ich mir das nämlich aufschreiben muss, um es nicht zu vergessen, brauche ich einen Kalender fürs neue Jahr. Da habe ich doch etwas, das ich selber machen kann, jetzt auf derStelle! Ich rufe dem Mann ein »Bis gleich!« zu, laufe runter in den Schreibwarenladen in meiner Straße, kaufe ein A6-Büchlein und krame, zurück in der Wohnung, das Stempelkissen und den alten Bürostempel mit beweglichen Datumslettern hervor. Ich blättere die erste Seite auf und stemple: »1. Januar«, ich drehe am Zahlenrädchen und stemple »2. Januar«, und immer so weiter, immer sieben Tage auf eine Doppelseite. Am 18. August muss ich eine Pause einlegen, mir tut die Hand weh und ich habe Hunger, aber nach dem Essen stemple ich weiter, komme zum 1. Advent und trage ein: Oma einen Stollen schicken.
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Tag 365
Sag zum Abschied leise … Fondue
Es ist Silvester. Der letzte Tag des Jahres. Meines Selbermachjahres.
Einfach weil es vorbei sein wird, habe ich heute noch einmal ein paar Stunden in der Küche verbracht. Um das französische Baguette aus meinem Rund-um-die-Welt-Brotbuch zu backen. Jedes normale Brot ist eine Fast-Food-Angelegenheit im Vergleich zu Baguette: Erst wird ein Vorteig mit frischer Hefe angesetzt, dann wird der eigentliche Hefeteig zurechtgeknetet, man lässt ihn gehen, um anschließend den Teig in zwei Portionen zu teilen, die als kleine Hefeteigbälle abgedeckt in der Nähe der Heizung stehen bleiben und wieder gehen sollen. Und dann überraschte mich die Anleitung: Vor dem nochmaligen Gehenlassen und dem eigentlichen Backen wird der Teig ausgewalzt und anschließend so zusammengerollt, dass eine Wurst entsteht, die in der Mitte etwas dicker ist als an den Enden. Und diese Enden werden eingeschlagen.
Als das Ergebnis vor mir lag, dachte ich: Klar, so sieht Baguette aus. Am letzten Tag noch was gelernt.
Das frisch gebackene Baguette nehmen der Mann und ich am frühen Abend mit zur besten Freundin. Sie hat uns zum Käsefondue eingeladen.
Wir raspeln gemeinsam verschiedene Schweizer Käsesorten und lassen sie in einem Topf langsam zu einem ansehnlichen Käse-See zerschmelzen; im Topf nebenan kochen kleine Kartoffeln, und der Mann schneidet etwas Gemüse in handliche Stückchen, die sich gut ins Fondue tunken lassen.
Die beste Freundin fragt mich, wie ich es finde, dass mein Selbermach-Jahr nun vorbei ist. »Ich habe keine Ahnung«, sage ich, »ich vermute, ich werde es vermissen.« Gleichzeitig werde ich froh sein, nicht mehr dauernd nähen, stricken, hämmern, backen oder in den Garten zu müssen. Ich werde wohl wieder mehr Geld ausgeben und Dinge einfach kaufen. Aber ich glaube auch, dass ich einiges weiterhin selbst machen werde. Kleinigkeiten stricken, am Wochenende Brot backen, Geschenke basteln. So was.
Eine richtige Meinung zum Ende meines Selbermachjahres werde ich vermutlich erst in ein paar Wochen haben. Weil ich erst dann Ordnung in meine Gedanken gebracht habe und einschätzen kann, inwieweit sich mein Leben nun verändert hat oder nicht – und ob ich das gut finde oder nicht.
Die beste Freundin, der Mann und ich heben unsere Sektgläser, der Sohn der besten Freundin hebt sein Glas mit Apfelsaft: »Auf einen schönen Abend.« – »Auf einen schönen Abend!«
Der Mann bricht als Erster ein Stück vom selbst gemachten Baguette ab, steckt es auf einen Spieß und tunkt es ins Käsefondue. Ich tue es ihm gleich und überziehe ein Stück Brot mit einer Käsehaut. Während ich noch im Fondue rühre, kaut der Mann bereits, schließt kurz die Augen, brummt und sagt dann:
»Das Baguette ist genial. Der Selbermachquatsch hat schon auch sein Gutes.«
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Epilog
Das Selbermachjahr ist erst seit gut zehn Wochen vorbei und mein Alltag ähnelt schon wieder sehr dem des vorletzten Jahres: Zum Beispiel kaufe ich alle paar Tage ein Brot beim Bäcker. Selbst gebackenes Brot gab es seit dem Jahreswechsel erst zwei Mal – als wir Gäste hatten. So ein frisches, selbst gebackenes Weißbrot mit einem kleinen Teller gutem Olivenöl als Vorspeise kann nämlich erstaunlich viel Eindruck schinden. Und offenbar
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