Hab ich selbst gemacht
mir. Dass es so gut laufen könnte – daran hatte ich in den letzten Wochen nicht immer geglaubt.
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Tag 361
Laaangweilig!
Und jetzt ist Weihnachten einfach so vorbei. Zwei Tage habe ich noch bei der Familie des Mannes verbracht, habe Komplimente für die Geschenke bekommen und Komplimente für die beeindruckende Plätzchen-Auswahl der Mutter des Mannes zurückgegeben.
Am Morgen haben der Mann und ich unsere Sachen und Geschenke ins Auto geladen und sind zurück in die Stadt gefahren. Ich gehe ins Wohnzimmer, wo noch ein paar Rollen Geschenkpapier liegen, neben der Schere, dem Klebstoff und etwas Geschenkband. Reflexartig denke ich, ich müsste mich sofort wieder an ein Geschenk setzen, anstatt hier herumzustehen. Aber ich brauche keine Geschenke mehr.
Ich fühle mich leer.
Vermisse ich den Geschenkestress? Wirklich?
Wenn ich nicht will, brauche ich jetzt erst einmal gar nichts mehr zu machen. Das Jahr ist so gut wie rum. Ich kann mein Leben so weiterleben wie vor meinem Selbermach-Jahr.
Dieser Gedanke macht mich irgendwie traurig.
»Ich werde einen Brotteig ansetzen«, sage ich zum Mann.
Er schaut von seinem Bücherstapel auf, den er zu Weihnachten geschenkt bekommen hat. »Das wird dein letztes Brot sein, oder?«, fragt er.
Er hat recht. Das könnte mein letztes Brot sein. Plötzlich ist mir ganz feierlich zumute, als ich die Mehltüten aus der Schublade nehme. Ist es Zufall oder ein Wink des Selbermach-Gottes, dass gerade noch so viel Mehl in der Dinkel- und in der Roggenmehltüte ist, dass es genau für ein Brot reicht? Ich schmeiße die Packungen weg und schaue auf die Lücke, die die Tüten in der Schublade mit den Vorräten hinterlassen haben.
Der Mann kommt in die Küche. »Wieso starrst du in eine Schublade?«
»Ich frage mich nur gerade, ob ich auch im neuen Jahr noch Brot backen werde.«
»Je nach Bock, oder?«, sagt der Mann.
»Wünschst du dir etwas Besonderes für das letzte Brot?«, frage ich ihn.
»Was denn zum Beispiel?«
»Ich könnte mal wieder Hasel- oder Walnüsse reinmachen. Und ein bisschen Muskat und Zimt.«
»Klingt super. Mach mal«, sagt der Mann und verschwindet wieder zu seinen Büchern. Ich werfe eine Handvoll Haselnüsse in die Mehlmischung und streue ein kleines bisschen Muskat und Zimt mit hinein. Nur ganz wenig, sodass man beim Essen gar nicht gleich darauf kommt, dass beides drin ist. Dann rühre ich warmes Wasser unter, decke die Schüssel ab und stelle den Teig in eine ruhige Ecke. Das letzte Brot.
Im Wohnzimmer setze ich mich auf den Boden und versammle meine Geschenke um mich herum. Der Mann legt die Wadlwärmer dazu. Ich schaue ihn fragend an.
»Ich glaube, die ziehe ich nicht an«, sagt er.
»Aber dir ist immer kalt, wenn wir hier sitzen und lesen oder fernsehen.«
»Aber nicht an den Waden.«
Hm.
Ich wusste, dass es ein Risiko-Geschenk ist, und ich hatte trotzdem gehofft, dass er die Stulpen mögen würde, allein aus praktischen Gründen. Aber gut, ich kann niemanden zu warmen Wadln zwingen.
»Das heißt, ich darf sie anziehen?«, frage ich den Mann.
»Klar, gerne.«
»Gefällt dir denn wenigstens das Fotoalbum?«, frage ich, unsicher, ob ich mit den Geschenken für den Mann total ins Klo gegriffen habe.
»Das Fotoalbum ist großartig!«, sagt er, beugt sich zu mir rüber und gibt mir einen Kuss.
»Was sollen wir heute noch machen?«, frage ich den Mann.
»Lesen«, sagt er und verschwindet wieder hinter seinem Buch.
Mir ist aber nicht nach Lesen. Irgendwie fühle ich mich zu zappelig, um ein paar Stunden ruhig auf dem Sofa zu sitzen.
Die beste Freundin ruft an und unterbricht meinen Langeweileanfall. Sie habe etwas ganz Tolles gefunden, brüllt sie mir ins Ohr. »Es gibt eine Webseite, auf der sind Streuobstwiesen und wilde Obstbüsche eingetragen. Was du dir immer gewünscht hast«, sagt sie. »Dann können wir, auch wenn du keinen Garten mehr hast, Sachen ernten und einkochen!«
Mundraub.org , diese Webseite, klingt genau so, wie ich mir das vorgestellt habe. Die beste Freundin und ich vereinbaren, im nächsten Sommer und Herbst Kompott und Marmelade einzukochen. Zucchini, Bohnen und Kartoffeln werde ich eben weiter über die Biokiste bestellen, und eine Tomatenpflanze muss mit unserem »Balkon« vorliebnehmen.
Als ich aufgelegt habe, klingelt gleich wieder das Telefon. Meine Mutter ist dran. »Stell dir vor«, sagt sie, »deine Oma weigert sich, den Dresdner Stollen zu essen, den ihr dein Onkel geschickt hat. Sie sagt, der schmecke
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