Hab ich selbst gemacht
bei meiner Vermieterin durchsetzen. Denn so absurd es klingt – und ich habe auch erst mal gestaunt, als ich das vor Kurzem gelesen habe: Immer mehr Menschen halten sich privat Hühner. In England und Amerika gibt es schon Hinterhof-Hühner-Fanklubs, und auch in Deutschland finden immer mehr Hühnerställe Platz im kleinsten Garten in der Reihenhaussiedlung. Aber will ich mir wirklich ein Huhn zulegen, nur um es die paar Eier produzieren zu lassen, die ich in der Woche esse? Und wäre das überhaupt »selbst gemacht«, wo doch die Hühner die Eier legen?
Ich schaue meine Liste weiter durch und bleibe bei »ein Paar Schuhe« hängen. Ich muss, ich will mir Schuhe machen! Vielleicht finde ich einen Schuster, der mir zeigt, wie man aus einem Stück Leder und einem Stück Gummi ein paar Schuhe näht oder klebt oder wie auch immer das gemacht wird. Zwar könnte das Selbermachen von Schuhen eventuell Abstriche in Modefragen mit sich bringen. Aber meine Neugier sagt: Ausprobieren! Deswegen kringle ich das Wort »Schuhe« ein.
Vor selbst gemachter Kosmetik habe ich ehrlich gesagt Angst. Ich habe komplizierte Haut, seit Jahren benutze ich nur eine Creme, die einzige, bei der meine Gesichtshaut nicht durchdreht. Mindestens genauso kompliziert ist die Kopfhaut, auch hier: Seit Jahren ein und dasselbe Shampoo, bei anderen Shampoos löst sich meine Haut vom Kopf. Selbst gemachte Zahnpasta zu verwenden wird vermutlich vor allem eine Sache der Überwindung sein, aber damit vielleichtauch der größere Spaß. Seife wandert direkt auf die Jahresliste der Dinge, die ich selber machen will. Ich unterstreiche sie zwei Mal. Meine Laune steigt mit jedem Kringel, jedem Kreuz und jeder Linie.
Papier schöpfen, Bücher binden, Geschirr töpfern wiederum – das klingt alles nach klassischem Selbermach-Terrain, nach VHS – Kursleiterin und Freundschaften, die an der Tondrehscheibe geschlossen werden. Darüber muss ich erst mal nachdenken, ob meinem Leben wirklich eine Töpferkurs-Freundschaft fehlt.
Fest steht: Ich brauche einen Garten. Ich will eigenes Gemüse haben und nicht nur ein paar Kräutertöpfe am Küchenfenster wie bisher. Und ich will Käse machen. Beides schreibe ich – versehen mit Ausrufezeichen – auf meinen Zettel. Er ist jetzt voll mit Kringeln und Kreuzchen und Ausrufezeichen und Bemerkungen, und ich halte ihn dem Mann zwischen sein Gesicht und das Buch, das er gerade liest: »Schau!«
Er nimmt mir den Zettel aus der Hand und runzelt die Stirn. »Da hast du ja was vor.«
Ich nicke. »Hab ich.«
»Ich hoffe, ich muss den Quatsch nicht mitmachen«, sagt er, während er weiter auf meine Liste starrt. »Und womit willst du anfangen?«
Gute Frage. Womit eigentlich? Ich würde sagen, mit etwas Grundsätzlichem.
»Mit Brot. Morgen gibt es selbst gebackenes Brot.«
Ich nehme meinen Zettel noch mal in die Hand, mache einen extradicken Kringel um das Wort »Brot« und schreibe eine »1« davor. Ein letztes Mal schaue ich mir meine Liste an. Ein Blatt Papier voller Möglichkeiten und Pläne für das Jahr, das vor mir liegt. Ein bisschen kribbelt es in meinem Bauch.
»Was grinst du denn so?«, fragt der Mann.
»Ach, ich freue mich einfach. Das wird ein aufregendes Jahr«, sage ich. Dann nehme ich ihm mein Kopfkissen weg,das er sich wie immer zum Lesen in den Nacken gestopft hat, und ergänze den letzten Stichpunkt meines Tagesprotokolls:
Ein Kopfkissen.
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Tag 2
Am Anfang war das Brot
Mein Experiment beginnt also mit Brot. Seit Jahrtausenden backen Menschen überall auf der Welt Brot: aus Roggen, Weizen, Hafer, Mais, Gerste, Dinkel, Maniok, Hirse – aus dem, was in ihrer Umgebung wächst. Es ist Samstagvormittag, ich habe mit dem Mann ausführlich gefrühstückt, bin satt und zufrieden. Und werde jetzt ein Brot backen.
In meinem schon ziemlich alten und zerfledderten Backbuch ist ein Rezept für ein dunkles Mischbrot. Das hatte ich mir schon ein paar Mal angeschaut, meistens, wenn ich hungrig war. Aber wenn man Hunger hat, hat man Hunger. Man kauft sich ein Brot, das man sofort essen kann. Man fängt nicht an, einen Hefeteig anzurühren.
Ab heute gilt: Schluss mit schnell-schnell. Jetzt wird selbst gemacht. Ich gehe einkaufen: eine Tüte Weizenmehl, eine Tüte Roggenmehl, ein kleiner Joghurt, ein Würfel frische Hefe. Für alles zusammen bezahle ich 4,40 Euro. Ich habe Biomehl gekauft, und trotzdem ist es noch billiger als gekauftes Brot: Mit zwei Kilo Mehl kann ich vier Laibe backen.
Wieder zu Hause lese
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