Hab ich selbst gemacht
mir noch mal durch. Ich kritzle kleine Notizen an den Rand: »Kann ich selber lernen«, »Hilfe holen«, »Unbedingt ausprobieren!«, »Buch kaufen«, »Baumarkt«, »Mama fragen«. Ich hole mir meinen Computer und lasse mich durch Foren treiben, in denen die Menschen übers Kochen diskutieren, über ihre Gärten oder Strickmuster.
Als ich auf die Uhr schaue und sehe, dass ich schon seit über zwei Stunden herumklicke, klappe ich den Computer zu und schaue nach meinem Brot. Es liegt schön dick auf dem Blech. Ich heize den Ofen vor, schneide die obere Seite des Brots ein paar mal ein und schiebe es hinein.
35 Minuten später versuche ich mir beim Wenden des Laibes im Ofen nicht die Haare an den Armen zu versengen. Dann klopfe ich wie im Rezept geschrieben auf den Boden des Brots. Es soll hohl klingen. Tut es irgendwie auch. So richtig weiß ich nicht, wie sich das anhören muss. Aber ich würde sagen: Ja, hohl. Nur: Das Brot sieht so … komisch aus. Hässlich. Es ist blass, irgendwie grau. Ich schiebe es noch mal für fünf Minuten in den Ofen und mache die Oberhitze an, den Grill.
Danach ist es ein bisschen dunkler, aber immer noch stumpf und grau, jetzt halt dunkelgrau. Ich lege es direkt neben das Bild in meinem Backbuch, schaue nach links, nachrechts, hin und wieder zurück. Sieben Stunden Kneten und Warten und dann das da? Was für ein Witz.
Ich rufe den Mann in die Küche. »Guck dir das mal an. So soll das aussehen, es sieht aber so aus. Das ist doch scheiße.«
Er schnuppert. »Es riecht aber gut.«
»Es soll aber auch gut aussehen.«
»Wenn es schmeckt, ist es doch egal, wie es aussieht.«
»Ist es nicht.« Ich bin beleidigt. Oder enttäuscht. Nein: beides. Auf dem Bild halten zwei mehlbedeckte Hände ein braunknuspriges Brot, man kann es bis in meine Küche riechen. Aber ich habe hier einen grauen Klumpen auf dem Küchentisch liegen.
Zum Abendessen schneiden wir das Brot an, und es schmeckt: okay. Es ist kein Brot wie das von der Hofpfisterei, das wir sonst immer kaufen. Pfisterbrot ist saftig und zart und hat eine schöne Kruste. Es ist perfekt. Das hier ist halt ein Brot.
Aber es ist ein selbst gebackenes Brot. Mein erstes selbst gebackenes Brot.
Zufrieden bin ich trotzdem nicht. Vielleicht ist das gleich Aufgabe Nummer eins, die mir das Selbermachen stellt: mit unperfekten Ergebnissen umgehen zu lernen – und das Brot einfach deshalb zu mögen, weil ich es mit meinen eigenen Händen gemacht habe und nicht eine Maschine Teig in eine Form gepresst hat und mein Brot deshalb wie jedes andere aussieht, gleichmäßig und schön.
Es ist ein Experiment, da sollte ich auch dem Ergebnis offen gegenüberstehen. Alles andere wäre unwissenschaftlich, wäre Propaganda. Also ringe ich mir ein kleines bisschen Stolz über mein erstes Brot ab. Und hoffe trotzdem, dass meine zukünftigen Brote befriedigender sein werden.
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Tag 9
Mit etwas Hilfe von Müttern und Büchern
Eine Woche rum. Ich bin jeden Morgen aufgestanden, etwas schwerfälliger als sonst, weil mir noch die erholsamen Weihnachtsferien in den Knochen steckten. Dann bin ich ins Büro gefahren, habe Themenangebote an Redaktionen verschickt, einen kleinen Text geschrieben und ging meistens schon um sechs völlig erschöpft nach Hause.
Wo ich dann eigentlich eine ganze Menge Zeit fürs Selbermachen gehabt hätte. Ja, hätte. Ich habe nämlich nichts gemacht! Doch. Ein Brot habe ich am Mittwochabend gebacken. Das ein bisschen weniger grau als sein Vorgänger war, aber auch nicht besonders erfreulich schmeckte. Die anderen Abende saß ich auf dem Sofa, las und verdrängte mein schlechtes Gewissen. Wollte ich nicht abends mehr mit meinen Händen anstellen, als sie nur ein Buch halten zu lassen? Ja, das wollte ich. Dass es so viel Überwindung kostet, nach einem Arbeitstag am Abend weiterzuarbeiten, hatte ich dabei nicht bedacht.
Nun hat das Wochenende angefangen, wir haben gefrühstückt – den harten Rest des Mittwochsbrots –, und ich habe einen neuen Teig zurechtgeknetet. Als ich ihn in den Ofen schiebe, beschließe ich: Der Druck muss erhöht werden. Ich brauche soziale Kontrolle! Denn der Mann scheint ganz zufrieden damit, dass sich unser Leben eigentlich überhaupt nicht geändert hat.
Am Frühstückstisch fragte er angesichts meines neu erwachten Tatendrangs vorsichtig: »Wirst du jetzt wunderlich? Viele Selbstversorger sind wunderlich. Die fangen mit einpaar Stangenbohnen an, und irgendwann wollen sie dann ohne Geld oder Strom
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