HABE MUTTER, BRAUCHE VATER - Mallery, S: HABE MUTTER, BRAUCHE VATER
Rache.
Dummerweise hatte sie noch keinen konkreten Plan, wie diese Rache aussehen könnte, doch sie arbeitete daran. Irgendetwas würde ihr schon einfallen.
Sie war pünktlich wie immer im Restaurant und bemerkte sofort, dass sein Wagen noch nicht auf dem Parkplatz stand. Sehr gut. So konnte sie sich mit Kaffee stärken und sich innerlich auf die Begegnung vorbereiten.
Ungefähr eine halbe Stunde später, als sie gerade Edouards Vorschläge für die Spezialitäten des Tages durchsah, hörte sie vertraute Schritte auf dem Gang. Sie schaute nicht auf.
„Dani“, sagte er leise. In seiner Stimme schwang Zärtlichkeit mit. „Hi!“
Sie sah ihn an, sah in sein schönes Gesicht und in seine Casanova-Augen und wusste, dass sie auf einen Meister seines Fachs reingefallen war. „Hallo, Ryan.“
„Wie geht es dir? Ich habe mir deinetwegen schon Sorgen gemacht.“
Ach, wie nett. Geradezu rührend, diese Sorge …
„Warum?“, fragte sie.
Er trat ein und machte die Tür hinter sich zu. „Wegen dieser Sache. Wegen Jen, die hier einfach aufgetaucht ist.“ Er seufzte. „Ich wollte wirklich nicht, dass du es auf diese Weise erfährst.“
Du lieber Himmel! Seine Worte klangen so vertraut in ihren Ohren, dass es schon fast unheimlich war. Litten alle Männer an der chronischen Unfähigkeit, für das, was sie machten, geradezustehen? Hugh hatte genau das Gleiche zu ihr gesagt.
Wie schrecklich es für ihn sei, dass sie hinter seine Affäre gekommen war. Doch auf die Idee, sich dafür zu entschuldigen, dass er sie betrogen hatte, kam dieser Mistkerl nie.
Genau wie Hugh bereute auch Ryan nicht, was er getan hatte. Er bedauerte nur, dass sie dahintergekommen war.
„Wie wäre es dir denn am liebsten gewesen, dass ich es erfahre?“, fragte sie fröhlich. „Oder hast du gehofft, das würde nie passieren?“
„Ich, äh …“ Er wirkte verunsichert – so als hätte er mit dieser Frage nicht gerechnet. „Dani …“
Sie schnitt ihm das Wort ab. „Was ich dich fragen möchte, ist Folgendes: Warst du deiner Frau jemals treu? Hast du nach der Hochzeit wenigstens ein paar Monate abgewartet, ehe du angefangen hast, sie zu betrügen? Denn dass ich deine erste Affäre war, ist schlecht möglich. Dazu bist du ein zu routinierter Lügner.“
Er erstarrte. „Ich liebe meine Familie.“
„Natürlich tust du das. Man merkt es dir bei allem an, was du machst. Mit mir zu schlafen war ein unglaublicher Liebesbeweis. Ist Jen dir dafür dankbar?“
„Drohst du mir etwa?“, fragte er. „Hast du vor, es ihr zu erzählen?“
„Daran habe ich, ehrlich gesagt, nie gedacht. Ich glaube, du tust ihr schon genug weh, also muss ich nicht auch noch dazu beitragen. Jetzt, da ich weiß, was für ein Arschloch du bist, würde ich ihr zwar gern die Augen öffnen, aber sie würde mir vermutlich nicht glauben. Ich bin sicher, dass du sehr überzeugend den wunderbaren, braven Ehemann spielst. Zuerst habe ich mir selbst leidgetan, als ich die Wahrheit erfahren habe – aber jetzt nicht mehr. Sie tut mir leid. Ich selbst kann dir ja einfach den Rücken kehren.“
Er schluckte. „Du wirst deinem Bruder sagen, dass er mich feuern soll, nicht wahr?“
„Wahrscheinlich nicht. Du bist kein schlechter Geschäftsführer, und für das Restaurant wären im Moment noch mehr personelle Veränderungen nicht förderlich. Wenn du mich also in Ruhe lässt, passiert dir nichts. Aber du wirst zu jeder Frau, die hier arbeitet, ehrlich sein. Du wirst allen sagen, dass du verheiratet bist und an einen Flirt nicht einmal zu denken wagst. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?“
„Du bist immer noch wütend auf mich.“
Sie überlegte. „Weißt du, eigentlich nicht mehr. Ich dachte, dass ich es sein würde, aber merkwürdigerweise bin ich erleichtert, seit wir darüber geredet haben. Vielleicht deshalb, weil mir endlich klar geworden ist, dass ich nichts falsch gemacht habe. Ich habe mich dafür gehasst, dass ich einen so schlechten Geschmack bei Männern habe. Aber den hatte ich gar nicht. Sondern du hast mich vorsätzlich getäuscht, indem du mir genau den Mann vorgespielt hast, den ich gesucht habe. Ich hatte keinen Anlass, dir zu misstrauen. Du hast gelogen, ich nicht. Dank Al, unserem treuen Kater, bist du die einzige Ratte in diesem Haus. Und damit kann ich leben.“
Walker war zum Abendessen geblieben. Elissa fand es bemerkenswert, wie wohl sich ihr einst so reservierter Nachbar mittlerweile in Gegenwart ihrer kleinen Tochter zu fühlen
Weitere Kostenlose Bücher