Hafen der Träume: Roman (German Edition)
Ordnung. Keine Eile.« Phillip fuhr mit dem Daumen
über ihre Unterlippe. »Erzähl mir von dem Mann, der nicht von Bedeutung war.«
Sämtliche Gedanken Sybills waren durcheinander gewirbelt und hatten sich an den Rand ihres Bewusstseins zurückgezogen. Sybill konnte sie nicht ordnen, solange Phillip sie mit diesem umwölkten Blick ansah. »Was?«
»Der Ehemann.«
»Oh.« Sie sah zur Seite und konzentrierte sich auf ihren Atem.
»Was machst du da?«
»Entspannungstechnik.«
Sein Humor kehrte zurück, und Phillip grinste. »Hilft es denn?«
»Wenn ich fertig bin.«
»Cool.« Phillip rückte sich zurecht, bis sie Hüfte an Hüfte lagen, und passte seinen Atem ihrem Rhythmus an. »Also, dieser Kerl, mit dem du der Form nach verheiratet warst …«
»Es war im College, in Harvard. Er studierte Chemie im Hauptfach.« Wieder mit geschlossenen Augen, befahl Sybill ihren Zehen, sich zu entspannen, dann dem Spann und den Fesseln. »Wir waren gerade zwanzig und haben für kurze Zeit den Kopf verloren.«
»Zusammen durchgebrannt.«
»Ja. Wir haben nicht einmal zusammen gewohnt, denn wir schliefen in verschiedenen Schlafsälen. Eine richtige Ehe war es deshalb nie. Erst Wochen später haben wir unseren Familien von der Heirat erzählt, und natürlich gab es ein paar schwierige Szenen.«
»Warum?«
»Weil …« Sybill öffnete die Augen und blinzelte. Die Sonne blendete schrecklich, fand sie. Hinter ihr platschte etwas ins Wasser, und kleine Wellen leckten am Bootsrumpf. »Wir passten nicht zusammen, und wir hatten keine vernünftigen Pläne. Wir waren viel zu
jung. Die Scheidung erfolgte ruhig, rasch und zivilisiert.«
»Hast du ihn geliebt?«
»Ich war zwanzig.« Der Entspannungszustand hatte ihre Schultern erreicht. »Damals habe ich das natürlich geglaubt. In dem Alter ist Liebe noch kein ausgereiftes Gefühl.«
»Das sagst du jetzt, nachdem du würdige siebenundzwanzig Jahre alt bist, oder achtundzwanzig?«
»Neunundzwanzig. Ich werde dreißig.« Sybill atmete noch einmal tief und langsam aus. Zufrieden und wieder im Gleichgewicht, drehte sie sich zur Seite und sah Phillip an. »Ich habe seit Jahren nicht mehr an Rob gedacht. Er war ein sehr netter Junge. Ich hoffe, er ist glücklich.«
»Damit ist für dich alles erledigt?«
»Es muss.«
Phillip nickte, aber er fand die Geschichte seltsam traurig. »Dann muss ich feststellen, Dr. Griffin, dass du, nach deinen eigenen Maßstäben bewertet, Beziehungen nicht ernst nimmst.«
Sybill öffnete protestierend den Mund. Weise genug, schloss sie ihn jedoch wieder, nahm stattdessen die Weinflasche und füllte die beiden Gläser nach. »Du magst Recht haben. Ich werde darüber nachdenken.«
KAPITEL 7
Es machte Seth nichts aus, auf Aubrey aufzupassen. Nachdem Ethan und Grace geheiratet hatten, war sie sozusagen seine Nichte. Als Onkel fühlte er sich erwachsen und verantwortlich. Und Aubrey wollte sowieso nur auf dem Rasen herumrennen. Jedes Mal, wenn Seth den Hunden einen Ball oder einen Stock hinwarf, kreischte sie vor Lachen. Bei ihrer Begeisterung konnte man sich wie ein Held fühlen.
Niedlich war sie außerdem mit ihrem lockigen Goldhaar und den riesigen grünen Augen, mit denen sie all seine Taten bewunderte. Sie sonntags ein oder zwei Stunden bei Laune zu halten war kein großes Opfer.
Seth hatte nicht vergessen, wo er vor einem Jahr gewesen war. Dort gab es kein freies Gelände hinter dem Haus, das zum Wasser abfiel, keine Wälder, die er erforschen konnte, keine Hunde zum Herumtoben und kein kleines Mädchen, das ihn ansah, als wäre er Superman, Fox Mulder und die Power Rangers in einer Person.
Stattdessen hatten sie drei dreckige Zimmer im dritten Stock eines Mietshauses. Auf den Straßen unten tobte nachts ein düsterer Karneval, bei dem man für alles bezahlen musste, für Sex, Drogen, Waffen und sogar das Elend.
Seth wurde gesagt, er dürfe nie nach Einbruch der Dunkelheit das Haus verlassen, ganz gleich, was in den drei schäbigen Zimmern vor sich ging.
Niemand kümmerte sich darum, ob er saubere Sachen zum Anziehen hatte oder zu essen bekam, ob er krank war oder Angst hatte. Seth war sich vorgekommen wie eine Sache, und er hatte bald gelernt, dass Sachen gejagt wurden.
Gloria hatte alles mitgemacht, was auf diesem Karneval zu erleben war. Sie hatte die Süchtigen und die Prostituierten mit in diese drei Zimmer gebracht und sich selbst an jeden verkauft, der sie gut genug bezahlte, um sich damit dann in die nächste Runde zu stürzen.
Vor
Weitere Kostenlose Bücher