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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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mein Freund?!« fuhr Vito auf, und seine Stimme schien nicht mehr die seine zu sein. »Du hast auf mich schießen und meine Hühner abschlachten lassen, wegen dir habe ich Höllentage durchstanden …«
    »Vito«, unterbrach Masino ihn in bestimmtem Ton.
      »Ich war es, der dir diese Spanne von drei Tagen verschafft hat. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätten die dich noch am Tag der Hochzeit umgelegt, als du hirnrissiger Idiot die Karte herausgezogen hast. Ich bin dann zu Don Pietro und zu Scimeni gegangen, um für dich zu bürgen, ein klein wenig Zeit für dich herauszuschinden, ich war mir sicher, daß du mir die Postkarte früher oder später aushändigen würdest. Aber wenn die Sache anders gelaufen wäre, was zum Teufel glaubst du wohl, was sie mit mir gemacht hätten, hm?«
    Zum ersten Mal in seinem Leben setzte Vito fest entschlossen zu einer gefährlichen Geste an. Ganz langsam bewegte sich seine rechte Hand zu der Tasche, in Auf halber Strecke zwischen Dorf und Türkentreppe hatten sie einen Platten. Corbo und Tognin verließen den Jeep und stürzten sich wie wilde Wölfe auf die Spuren des Cinquecento von Masino, der statt die Provinzstraße lieber die Abkürzung am Meer entlang genommen hatte. Der Pistolenschuß hallte aus allernächster Nähe wider, vervielfacht vom Echo, während sie schon den Hügel hinaufkletterten.
    »Geh weiter, renn!« rief Corbo Tognin keuchend zu.
      Der machte einen Hechtsprung, stieg mit einem Bein über eine Mergelplatte und fiel auf eine andere. Die Sonne blendete ihn, doch er erkannte die Umrisse zweier Personen: Eine lag am Boden, die andere kniete neben ihr. Der Mann auf den Knien sprang bei seinem Anblick auf. Vor Schreck wie erstarrt, sah Tognin das Mündungsfeuer, hörte den Schuß, der ihm um die Ohren pfiff.
      »Nicht schießen, Tognin, nicht schießen!« Er begriff, daß Corbo hinter ihm schrie, doch es war zu spät. Eine Hitzewelle peitschte urplötzlich durch seine Venen, und der Finger auf dem Abzug des Maschinengewehrs drückte von allein ab.
      Der Mann im Gegenlicht warf Arme und Beine in alle Richtungen – für einen Moment kam er Tognin vor wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden –, dann stürzte er nach hinten.

    »Zwei Freunde, die wie Topf und Deckel zueinander paßten!«
    »Und Sie wundern sich darüber?«
    »Sollte ich mich vielleicht nicht wundern?«
    »Wenn eine Frau mit im Spiel ist?«
    »Wieso, vermuten Sie …?«
      »Vermuten? Wollen wir hier Witze reißen? Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Hundertprozentig.«
    »Aber über diese Frau hat man nie etwas gehört …«
      »Hätten die Ihnen gar etwas erzählen sollen? Der Mann, dem Weiberhaar gefällt, stumm bleibt wie ein Fisch.«
    »Aber wie können Sie denn so sicher sein?«
    »Die Art und Weise. Die Tatumstände.«
    »Verzeihen Sie, Herr Anwalt, ist nicht …«
      »Können Sie sich an das Gedicht von Martoglio erinnern? Ich glaube, es geht so: ›Sieh nur, was ein Weiberhaar vermag! Aus Zwietracht ob der schönen Angelika …‹«
      »›Zwei edle Ritter, Kampfgenossen gar, zwei stolze Feinde nun geworden sind.‹ Ich erinnere mich, aber ich sehe nicht, wie …«
      »Verzeihen Sie, aber wie erklärt sich Ihrer Meinung nach die Tatsache, daß Masino Vito ermordet hat und dabei war, ihm die Pistole, oder was es war, zu fressen zu geben, als der Carabiniere auf ihn feuerte? Und wie erklären Sie es sich, daß er ihm die Kiefer gebrochen und die Vorderzähne eingeschlagen hat, um ihm die Waffe in den Mund zu stecken? Das erklärt sich, verehrter Freund, mit Haß, und soviel Haß zwischen zwei ehemaligen Freunden erklärt sich nur, wenn eine Frau mit im Spiel ist.«
    »Gewiß, wenn man die Sache so dreht …«
      »Wie wollen Sie sie denn sonst drehen? Ich habe es Ihnen, vorgestern glaub' ich, gesagt: Bei uns stirbt man nur wegen aufgesetzten Hörnern.«

    Rom, April 1967 -Dezember 1968

    Nachwort (zur eigenen Absicherung)

    Viele Jahre hatte ich schon als Theater-, Fernseh- und Radioregisseur verbracht und immer anderer Leute Geschichten mit deren Worten erzählt, bis mich unbändige Lust packte, eine eigene Geschichte mit meinen Worten zu erzählen. Nicht im Traum dachte ich daran, mich an einem Theatertext zu versuchen: Als sehr junger Mann hatte ich Erzählungen und Gedichte geschrieben; erstere wurden in Tageszeitungen veröffentlicht (L'Ora in Palermo, L'Italia socialista in Rom), zweitere in maßgeblichen Literaturzeitschriften (Mercurio, Inventario,

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