Hahn im Korb.
Momenti) oder in Anthologien aufgenommen (die wichtigste, Die Dichter des Saint-Vincent-Preises, herausgegeben von Ungaretti und Lajolo, ist in der Reihe »Lo Specchio« bei Mondadori erschienen). Ich wollte auf gewisse Weise einen unterbrochenen Diskurs wiederaufnehmen. Die Geschichte hatte ich mir rasch ausgedacht, doch schwierig wurde es, als ich zur Feder griff. Nach einigen Schreibversuchen wurde mir recht bald klar, daß die Worte, die ich verwendete, nicht wirklich mir gehörten. Ich bediente mich ihrer, das ja, doch es waren die gleichen, die ich benutzte, um ein amtliches Gesuch oder eine Glückwunschkarte zu verfassen. Wenn ich nach einem Satz oder einem Wort suchte, das dem nahekam, was ich schreiben wollte, fiel mir das Gesuchte unmittelbar in meinem Dialekt oder besser gesagt, in der Umgangssprache meines Elternhauses ein. Was tun? Abgesehen davon, daß zwischen Sprechen und Schreiben ein ganz schöner Unterschied besteht, schrieb ich mit heftigem Widerwillen einige Seiten in einer Mischung aus Dialekt und Italienisch. Mit Widerwillen, weil mir schien, daß eine Sprache zum rein privaten Gebrauch in den eigenen vier Wänden nicht auch außerhalb der Hausmauern Gültigkeit haben könnte. Bevor ich die Seiten zerriß, las ich noch einmal laut das Geschriebene und hatte eine Art Erleuchtung: Es funktionierte, die Worte bahnten sich ohne größere Schwierigkeiten ihren Weg wie in einem natürlichen Flußbett. So nahm ich mir den Text noch einmal vor und übertrug ihn ins Italienische, wobei ich versuchte, die Ausdrucksstärke von zuvor wieder zu erreichen. Das klappte überhaupt nicht, und obendrein machte ich eine verblüffende Entdeckung: Die Ausdrücke und Worte, mit denen ich diese Dialektbegriffe ersetzen wollte, entstammten einem völlig ungebräuchlichen und veralteten Wortschatz, gegen den sich nicht nur die Umgangssprache, sondern längst auch die Bildungs- und Hochsprache sperrten. Soweit war ich, als mir Gaddas Die gräßliche Bescherung in der Via Merulana in die Hände fiel: Obwohl eine Handvoll Kritiker das Gegenteil behauptet, glaube ich, daß ich Gadda nichts verdanke – die Ursprünge seines Schreibens rühren von ganz woanders her, seine Motivationen sind äußerst subtil und seine Ziele viel höher gesteckt als die meinen. Viel dagegen verdanke ich seinem Beispiel. Durch ihn konnte ich mich von Zweifeln und Unsicherheiten freimachen. Und so begann ich im Alter von zweiundvierzig Jahren, genauer gesagt am 1. April (das habe ich mit Absicht gemacht, wegen des Aprilscherzes) des Jahres 1967 meinen ersten Roman zu schreiben, diesen hier. Ich schloß ihn am 27. Dezember 1968 ab: ein Jahr und neun Monate für wenig mehr als hundert Seiten, von denen ich jede einzelne mindestens vier- bis fünfmal umgeschrieben habe. Ich betrachtete das als einen beachtlichen Start für eine sicherlich langwierige und schwierige Spracherforschung. Im Januar 1969 gab ich meinem Freund Dante Troisi, Richter und Schriftsteller (besser gesagt, Schriftsteller und Richter), den Roman zu lesen. Der Roman gefiel ihm sehr, und er riet mir, ihn an Nicolò Gallo, einen anderen Freund, weiterzugeben. Nicolò war ein Kritiker von überragender Intelligenz und mit hohem moralischen Anspruch: Ich habe ihm meinen Roman deshalb nicht als erstem zu lesen gegeben, weil ich mich vor seinem Urteil fürchtete. Bestärkt und angetrieben von Troisi fand ich schließlich den Mut, ihn anzurufen. Er zeigte sich von Herzen interessiert und wollte, daß ich ihm noch am selben Tag das getippte Manuskript brächte. Darauf war er drei Monate lang wie vom Erdboden verschluckt. Beunruhigt rief ich ihn an, sagte ihm, daß ich nicht die Absicht hätte, die Freundschaft zu ihm wegen eines Romans, der ihm nicht gefiel, aufs Spiel zu setzen, er solle doch so tun, als ob er ihn nie erhalten hätte. Er wollte mich sofort sehen. Auf seinem Schreibtisch lag mein Manuskript und daneben ein kleiner Stapel Blätter, dicht beschrieben mit Notizen. Dreimal habe er meinen Roman gelesen, erklärte er mir, denn er wollte sichergehen, daß seine Freundschaft zu mir nicht sein Urteil trüben würde. Der Roman habe ihm sehr gut gefallen, er wies mich auf einige Dinge hin (die ich mir zu Hause gleich aufschrieb) und sagte schließlich – vor Freude stand mein Herz fast still –, daß er Mondadori den Roman zur Veröffentlichung vorschlagen wolle. Nicolò war nicht nur als Berater in diesem Verlag tätig, sondern zusammen mit Vittorio Sereni auch Herausgeber einer
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