Halb verliebt ist voll daneben - Roman
etwas in der Art gesagt hätte. Überhaupt etwas gesagt hätte. Aber ich wich dem Thema einfach aus. Und das tat ich vermutlich, weil ich Mum und Simon so sehr liebte. Schließlich will keiner die Menschen enttäuschen, die er liebt.
Doch darauf kam es jetzt auch gar nicht an, denn mein Vater tat etwas Großartiges. Er sprang vom Tisch auf. Nein, das ist irreführend. Er kam stöhnend, ächzend und rülpsend in einer langsamen Bewegung vom Sitzen zum Stehen.
»Zeit für die Sportschau«, sagte er und verließ das Esszimmer, um sich ins Wohnzimmer zu begeben, wo er
sich vor den Fernseher setzte. Aber auf seinem Weg durch den Flur rief er: »Ich glaube, dein Handy klingelt, Sarah.«
Normalerweise hätte ich es einfach klingeln lassen. Plötzliche Bewegungen nach weihnachtlichen Genüssen können nur zu Verletzungen führen. Aber da das Gespräch gefährlich in Richtung Babys abzugleiten drohte, stürzte ich aus dem Zimmer und grapschte mir mein Mobiltelefon. Und ich bin mehr als froh, dass ich es tat.
»Sarah! Hier ist Eamonn! Frohe Weihnachten!«
»Du klingst, als wärst du beschwipst, Eamonn!«, sagte ich und bewies damit, dass ich ebenso beschwipst war, denn ansonsten hätte ich es nicht gewagt, einem berühmten Filmregisseur so etwas zu unterstellen.
»Voll wie eine Strandhaubitze!«, erwiderte er, und ich fand es brillant. »Ich bekam gestern Abend ein Fax von meinem Freund bei Universal«, fuhr er fort. »Nun, es kann gedreht werden! Ich wollte dich eigentlich nicht stören, aber ich dachte, dass es ein hübsches Weihnachtsgeschenk für dich ist. Das wollte ich loswerden. Grüß Simon von mir. Ich lege jetzt lieber auf.«
Er legte auf.
»Ich gehe nach Hollywood, Baby!«, kreischte ich und fühlte mich unheimlich erleichtert, als ich das Wort »Baby« aussprach. Das war ein Problem, das ruhig noch eine Weile warten konnte.
7
Bis Silvester trat ich weiter jeden Tag auf. Die Babyfrage wurde zwischen Simon und mir oder Mum nicht mehr erörtert. Aber darüber nachgedacht habe ich schon. Sie wurde zu einem kleinen Virus auf meiner Festplatte. Jedes Mal, wenn ich in meinem Pappmascheekostüm dastand, rieb sich mein Gehirn so lange an der Frage der Fortpflanzung, bis es wie eine schwärende Wunde schmerzte. Ich malte mir immer wieder aus, wie ich Simon sagte, ich sei noch nicht bereit für Babys, woraufhin er mir den Laufpass gab. Aber ich hatte auch Gewissensbisse, weil ich nicht ehrlich zu ihm war. Wenn er tatsächlich jetzt Sprösslinge haben wollte, sollte ich ihn vielleicht freigeben, damit er sie mit jemand anderem in die Welt setzen konnte. Nur, der Gedanke, dass eine andere Simons Baby bekommen sollte, war zu schrecklich. Ich bekam Zustände, als ich mir vorstellte, dass Simon mich verlassen und mit einer anderen ein Baby bekommen könnte. Es war, als würden mich unsichtbare Hände erdrosseln. Einem Weihnachtsspiel sind derart düstere Gedanken nicht förderlich. Mein Gesicht nahm dann unweigerlich einen Ausdruck an, als hätte ich Probleme beim Stuhlgang.
Ich behielt meine Ängste für mich. Ließ sie in mir gären bis zum letzten Tag des Weihnachtsspiels, als meine Freundin Julia kam, um sich die Aufführung anzusehen. Danach wollte sie mich und all meine Taschen in ihrem unzuverlässigen Mercedes nach Hause fahren.
Julia traf zeitig vor der Abendvorstellung ein. Wir hatten geplant, in meiner Pause zwischen den beiden Vorstellungen
zusammen essen zu gehen. Julia ist meine allerbeste Freundin, aber ich hatte sie während meiner Zeit beim Weihnachtsspiel kaum gesehen, und wenn, dann nur zusammen mit Simon und ihrem Freund Carlos. Deshalb freute ich mich auf einen schönen Schwatz unter Mädels, unzensiert, ohne Rücksicht auf die Jungs. Als ich sie auf mich warten sah, rannte ich laut rufend die Treppen des Theaters hinunter.
»Ah!«, kreischte sie, als ich mich ihr entgegenwarf, denn ich bin eine Frau, und wir Frauen machen das so.
Sie sah hübsch aus. Julia war immer schon sehr attraktiv gewesen, mit großem Schmollmund und einem Dekolleté, um sich darin zu verlieren. Aber seit sie mit Carlos liiert war, sah sie wirklich zum Reinbeißen aus. Und an diesem Tag war sie in ihrem neuen Mantel, hochhackigen Stiefeln und rosigen Wangen eine umwerfende Erscheinung.
»Du siehst wahnsinnig toll aus!«, teilte ich ihr voller Bewunderung mit.
»O mein Gott, Sare, wie siehst du denn aus!«, rief Julia, sobald sie mich richtig anschauen konnte.
Aber nicht im Sinne von
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