Halbmast
sind gleich da. Im Prinzip sind alle Kabinen schon weitestgehend bezugsfähig, nur die Malerarbeiten und die Deko müssen noch gemacht werden. Die Einrichtungen sind uns bereits in einzelnen Blöcken geliefert worden. Die Duschen, Toiletten und Fenster und Türen, sogar die festmontierten Möbel wie Betten und Schränke sitzen schon in den tonnenschweren Klötzen. Diese werden von gewaltigen Kränen an die richtige Stelle manövriert und dann angeschweißt.» Ebba trug Schuhe mit Absatz und einen engen Rock, und trotzdem bewältigte sie die Unebenheiten im unfertigen Boden, als gleite sie über Parkett. Bewundernswert, dachte Carolin und spürte bei jedem Schritt den immer schwerer werdenden Seesack auf ihrer Schulter. «Einige Kabinen sind als Prototypen bereits vollständig hergerichtetworden, mit verschiedenen Stoffmustern und so. Es wird erst in den nächsten Tagen entschieden, welches Design die einzelnen Kabinentypen bekommen.»
Nach acht Türen rechts. Hier roch es nach Lösungsmitteln, dann ein langer Gang, von dem keine Abzweigung mehr abging.
«Ich kann Blau und Apricot anbieten!»
«Ich nehme Blau!», sagte Leif pfeilschnell. Carolin brauchte ein paar Sekunden länger, bis sie begriff, dass es um die Farbgebung ihres Schlafgemaches ging. Und nun musste sie in Apricot wohnen. Aber die nächsten vierundzwanzig Stunden würde sie ohnehin kaum in der Kabine hocken, und beim Schlafen machte man ja glücklicherweise die Augen zu.
«Gut, dann kommt mit mir, die Tür in der Mitte des Ganges rechts ist deine, Carolin. Leif wohnt zwei Kabinen weiter hinten. Direkt nebenan ist übrigens eine unserer Luxussuiten, die ein eigenes Sonnendeck zum Heck hinaus haben. Sinclair Bess, unser amerikanischer Reeder, ist dort untergebracht. Alles nur vom Feinsten. Leif, du hast auch einen kleinen Balkon für dich, aber ich fürchte, das Wetter wird wohl für ein Sonnenbad nicht reichen. Du kannst schon mal reingehen, Leif, hinten rechts, okay? Ich zeige deiner Kollegin das Quartier.» Ebba stieß eine schwere Tür auf. «Lärmschutz, bitte nicht die Finger dazwischenkriegen!»
Das Apricot dahinter quoll Carolin so aufdringlich entgegen, dass sie sich kurz umdrehen musste, um sich am Grau der Gänge zu erholen. Dann blickte sie wieder in den kleinen Raum, der zwar ein nicht allzu kleines, rundes Fenster nach außen, aber dafür kaum Platz zum Drehen und Wenden hatte. Ein französisches Doppelbett mit einer hellen, samtigen Tagesdecke in Orange. Ein Wulst von cremefarbenen Kissen nahm den meisten Platz darauf in Anspruch.Über dem Bett spannte sich ein glänzender Baldachin mit dieser Art von Paisleymuster, über das man in schlaflosen Nächten ganz wunderbar sinnieren konnte: ineinander verschlungene Blumenranken und pantoffeltierförmige Ornamente, alles in Orangebraun gehalten. Zwei Korbstühle unter dem Bullauge, ein Sekretär aus Kirschholz, den man auch als Kosmetiktisch benutzen konnte. In die Bordwand war ein Schrank eingelassen. Hätte Carolin Geld für diese beengte Unterkunft zahlen müssen, so hätte sie ein anderes Zimmer verlangt. Die Farben waren unerträglich.
«Amerikanischer Stil», sagte Ebba leichthin und strich mit der Hand über das Bett. «Ich denke, der Reeder wird sich für diese Variante entscheiden. Es hat eine warme Atmosphäre.»
Carolin ließ endlich den schweren Seesack auf den Bettüberwurf fallen. Das Bundeswehrgrün lieferte sich einen erbitterten Kampf mit der pfirsichfarbenen Decke. «Herzlichen Dank! Ich komme jetzt wohl allein klar.»
Doch Ebba John blieb im Zimmer stehen, als habe sie Carolins Worte nicht verstanden. «Ich kenne Leif von früher. Wir waren mal ein Paar», erzählte sie ungefragt. «In der Schule, im Emder Gymnasium am Treckfahrtstief. Drei Jahre waren wir zusammen, bis ich meinen Job in Amerika bekam. Ich war Model. Fünf Jahre lang. Bevor ich Anfang der Achtziger in die Tourismusbranche gewechselt bin, habe ich als Mannequin die ganze Welt kennen gelernt. Für ein ostfriesisches Mädchen ist das eine große Sache. Doch Leif hat es nicht gefallen.»
Das interessiert mich nicht, dachte Carolin und begann, den Verschluss ihres Seesackes zu entknoten. Stumm natürlich, denn sie hatte keine Lust auf ein Gespräch über die ehemalige Schulliebe eines blonden Exmodels zu einem ungeliebten Kollegen. Ebba ignorierte das offensichtliche Desinteresse. «Ich habe in Köln studiert, ein bisschen bei der Lufthansa als Flugbegleiterin gejobbt und musste dann wieder in die Provinz
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