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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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    D erForest Park war
hübsch im Sommer. Portlands aschgrauer Himmel verschwand beinahe ganz
hinter dem Baldachin aus Espen, Zedern und Ahornbäumen, der das Licht
filterte und hellgrün schimmern ließ. Eine leichte Brise kitzelte die
Blätter. Winden und Efeu krochen an den moosbewachsenen Baumstämmen
empor und schienen die Brombeerbüsche und Farne zu strangulieren, ein
Gewirr von Ranken, das hüfthoch zu beiden Seiten des ungeteerten
Fußwegs aufragte. Der Bach murmelte und mahlte, Vögel zwitscherten.
Wirklich alles sehr hübsch, sehr idyllisch, bis auf die Leiche.
    Die Frau war bereits eine Weile tot gewesen. Ihr
Schädelknochen lag frei, die Kopfhaut war zurückgezogen, ein roter
Haarschopf um mehrere Zentimeter vom eigentlichen Haaransatz getrennt.
Tiere hatten ihr Gesicht weggefressen, Augen und Hirn den Kräften der
Verwesung ausgesetzt. Die Nase war verschwunden, man sah die dreieckige
Aussparung im Knochen darunter; die Augenhöhlen sahen aus wie kleine
Schüsseln voll schmierigem, seifenartigem Fett. Die von Blasen und
geronnenem Blut bedeckte Haut an Hals und Ohren hatte sich in Streifen
abgeschält, um dieses entsetzliche Totenschädelgesicht mit dem offen
stehenden Mund zu umrahmen.
    »Bist du noch da?«
    Archie wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Handy zu, das er
an sein Ohr hielt. »Ja.«
    »Soll ich mit dem Abendessen auf dich warten?«
    Er sah auf die tote Frau hinunter und war in Gedanken bereits
mit dem Fall beschäftigt. Sie konnte das Opfer einer Überdosis sein.
Oder eines Mordes. Sie konnte aus dem Radschacht eines Jumbo Jets
gefallen sein. Letzteres hatte Archie in einer Folge von Law
& Order gesehen. »Ich glaube nicht«, sagte er ins
Handy.
    Er hörte die vertraute Sorge in Debbies Stimme. Es war ihm gut
gegangen zuletzt. Er hatte die Schmerztabletten eingeschränkt, ein
wenig zugenommen. Aber sowohl er als auch Debbie wussten, dass dies
alles noch nicht reichte. Hauptsächlich tat er nur so als ob. Er tat,
als lebte er, als atmete er, als arbeitete er; er tat, als würde alles
wieder gut werden. Es schien den Leuten, die er liebte, zu helfen. Und
das war schon etwas. Das wenigstens konnte er für sie tun. »Denk dran,
etwas zu essen«, sagte sie und seufzte.
    »Ich hol mir mit Henry später etwas.« Archie klappte das Handy
zu und ließ es in seine Tasche gleiten. Seine Finger berührten die
Pillendose aus Messing, die sich ebenfalls in der Tasche befand, und
verweilten einen Moment bei ihr. Zweieinhalb Jahre waren seit seinem
Martyrium vergangen. Er war erst seit einigen Monaten wieder
gesundgeschrieben. Lange genug, um seinen zweiten Serienmörder zu
fassen. Er überlegte schon, ob er sich eigene Visitenkarten machen
lassen sollte: Spezialist für die Ergreifung von Serienmördern.
Vielleicht in Prägeschrift. Sein Kopf schmerzte, und er begann
reflexartig, den Deckel der Pillendose zu öffnen, doch dann ließ er von
ihr ab, zog die Hand aus der Tasche und fuhr sich durchs Haar. Nein.
Nicht jetzt.
    Er kauerte sich zu Lorenzo Robbins, der neben der Leiche
hockte, die Dreadlocks unter der Kapuze eines weißen Kunststoff
Overalls versteckt. Die glatten Steine des Bachbetts waren glitschig
vor Moos.
    »Ihre Frau?«, fragte Robbins.
    Archie zog ein Notizbuch und einen Kugelschreiber aus seiner
anderen Tasche. Hinter ihnen blitzte es, als ein Fotograf der
Spurensicherung ein Bild machte. »Exfrau.«
    »Sie sind sich noch nahe?«
    Archie zeichnete einen Umriss der Frau in sein Notizbuch. Trug
die Lage der umgebenden Bäume ein, den Bach unterhalb. »Wir wohnen
zusammen.«
    »Oh.«
    Das Blitzlicht ging wieder los. »Ist eine lange Geschichte«,
sagte Archie und rieb sich mit einer Hand über die Augen.
    Robbins hob mit einer Pinzette die lose Kopfhaut der Frau an,
damit er darunterspähen konnte. Dutzende schwarzer Ameisen krabbelten
heraus und liefen über den Schädel zu dem verwesenden Gewebe innerhalb
der Nasenöffnung. »Da waren Hunde dran.«
    »Wilde?«, fragte Archie und schaute in den umliegenden Wald.
Der Forest Park war zwanzig Quadratkilometer groß, der größte Stadtwald
in den Vereinigten Staaten. Teile davon waren sehr abgelegen, andere
überlaufen. Das Gebiet, in dem man die Leiche gefunden hatte, lag im
tiefer gelegenen Teil des Parks, der von einem steten Strom von
Joggern, Wanderern und Mountainbikern frequentiert wurde. Oben am Hang
waren sogar mehrere Häuser zu sehen.
    »Nein, wahrscheinlich Haushunde«, sagte Robbins. Er drehte
sich um und stieß den Daumen im

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