Halbmast
wir uns in eine stille Ecke setzen, und Sie erzählen mir alles? Und ich verspreche Ihnen, dass mir bis morgen früh etwas einfallen wird, damit Sie und Ihre Freunde keinen Ärger bekommen werden.»
Eine kurze Weile schwiegen der Journalist und Robert Adamek. Bernstein schaute den Mann mit dem Diktiergerät fragend an. «Nee, da kommt noch mehr, Chef. Noch fünf Minuten Spielzeit.»
Nach einem kurzen Rascheln begann der Journalist erneut:
«Ich weiß nicht, ob Sie das Magazin kennen, für das ich arbeite, aber ich versichere Ihnen, dass wir sehr gute Kontakte haben und unseren Informanten bislang immer die Möglichkeit geben konnten, unerkannt zu bleiben.» – «Es geht um Svetlana. Um meine Tochter. Sie war doch erst vierundzwanzig.»
Dann erzählte Robert Adamek die Geschichte, die Marten schon viel zu gut kannte. Er beschrieb Svetlana, die sich hier in Deutschland das Studium finanzieren wollte. Er berichtetevon ihren schlimmen Magenkrämpfen, die sie erst auf die Pizza schieben wollte, die sie mit einem Bekannten gegessen hatte. Er wurde langsamer und leiser, als er erzählte, wie die Schmerzen immer schlimmer wurden und er einige Male vergeblich bei der Telefonnummer angerufen hatte. Als er beschrieb, wie Svetlana gestorben war, konnte man ihn kaum noch verstehen. Robert Adamek ließ Martens Namen aus dem Spiel. Er verkaufte die Nachforschungen, die schließlich zu Perl, Wolfgang Grees und die verbotene Poolparty führten, als seine eigene Recherche. Der Journalist unterbrach seine Rede kein einziges Mal. Erst als Adamek eine ganze Weile geschwiegen hatte, sprach er ruhig auf ihn ein.
«Das ist eine sehr traurige Geschichte. Die Werft hat Ihnen und Ihrer Familie Schreckliches angetan. Ich werde mich darum kümmern, hören Sie? Kommen Sie bitte nicht auf die Idee, Selbstjustiz zu üben, das würde alles nur noch schlimmer machen. Wissen Sie, was Selbstjustiz ist?» – «Ja, ich weiß es. Und ich habe daran gedacht …» – «Tun Sie es nicht! Ich habe eine wunderbare Kollegin hier an Bord, sie ist Fotografin. Ich werde ihr von der Geschichte erzählen, und ich bin mir sicher, sie wird mit mir gemeinsam eine sehr gute Reportage erarbeiten. Auf diese Weise können Sie Schmidt-Katter und seinen Kollegen viel mehr Schaden zufügen, als mit irgendwelchen Racheaktionen, durch die Sie selbst kriminell werden. Verstehen Sie das?» – «Ich verstehe es.» – «Eine alte Schulfreundin von mir arbeitet hier als Stewardess. Vielleicht kann sie mir noch ein wenig über diese Geschichte erzählen.» – «Aber sie gehören hier alle zusammen. Sie sind eine große Gruppe.» – «Aber nicht, wenn es um fahrlässige Tötung geht.» – «Um was?» – «Wenn ein Arzt sich weigert, einen Schwerkranken zu behandeln, und dieser Schwerkranke dann stirbt, redet man von fahrlässiger Tötung. Fast wie Mord.» – «Es ist
Mord.» – «Im Grunde haben Sie Recht. Hören Sie, wir treffen uns morgen früh. Um sechs Uhr legt das Schiff ab. Um halb neun sollten wir uns treffen. Bis dahin habe ich sicherlich alles so weit organisiert und kann Ihnen mehr darüber berichten, was wir unternehmen werden. Sie können sich auf mich verlassen.» – «Wo sollen wir uns treffen?» – «Wo halten Sie sich denn versteckt?» – «Ich kann ins Atrium kommen. Wissen Sie, ich kenne gut die Leitern von außen für Fenster und Fassade putzen. Und ich komme am besten rein ins Atrium. Fast ganz oben. Deck 10.» – «Das ist eine gute Idee. Ich werde da sein. Halb neun! Sie können sich auf mich verlassen. Ich bin froh, dass wir uns hier getroffen haben!»
Die Aufnahme war zu Ende. Ihr folgte lediglich eine unwichtige Testaufnahme der Fotografin. Der Sicherheitsmann reichte Bernstein das Diktiergerät. Sie schwiegen. Bernsteins Zigarettenschachtel war leer. Wütend knüllte er die Packung zusammen und warf sie in die Ecke. «Und Leif Minnesang ist nicht gekommen. Er konnte gar nicht kommen. Dieser Mann hat vergeblich gewartet. Um halb neun auf Deck 10.»
«Wann ist der Mord passiert?», fragte einer der Jungs.
«Wer sagt, dass es Mord war? Wolfgang Grees kann auch aus Versehen …» Bernstein hielt inne. «Es war gegen neun.»
«Robert Adamek hat eine halbe Stunde oder länger dort gewartet», sagte Marten.
«Sie kennen den Mann?»
«Ich habe Ihnen gesagt, ich war mit Svetlana, na ja, verlobt. Er war ihr Vater.»
«Ist er gefährlich?»
Marten dachte nach. War Robert Adamek gefährlich? Der unscheinbare Mann mit den dunklen
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