Haltlos
wusste noch genau, wie der Zauber sich angefühlt hatte und probierte ein bisschen herum. Erst sah sie alle Umrisse verschwommen, dann veränderte sie die Magieströme ein wenig – und schwubs – war das Bild scharf.
Es sah schon merkwürdig aus, denn sie sah die beiden Drachen und den Raum ganz normal mit ihren Augen. Durch den Zauber nahm sie die schillernden Konturen der astralen Auren zusätzlich wahr. Sie konzentrierte sich und legte die beiden Bilder in ihren Gedanken übereinander.
Bei dem Ergebnis musste sie fast lachen. „Cool, jetzt sehen die beiden Drachen aus, wie die glitzernden Perlmuttsticker aus einer Prinzessin-Lillifee-Zeitschrift – einfach süß und kein bisschen furchterregend mehr! Hi hi!“
Sie spürte, dass ihre Belustigung Jaromir ablenkte. Also konzentrierte sie sich auf die Schutzschilde und wurde wieder ernst.
Die Schilde hatten einen Durchmesser von ungefähr einem halben Meter, waren kreisrund und an den Rändern etwas gewölbt, wie eine flache Schale, die hochkant stand und sich zum jeweiligen Drachen hin öffnete. Die Schilde wurden nun sanft aneinander gedrückt, wobei zwischen ihnen ein paar Zentimeter Luft blieb – fast als würden sie sich abstoßen wie zwei gleichpolige Magnete.
Langsam erhöhten Abrexar und Jaromir den Druck und die Schilde begannen leicht zu vibrieren. Beide Drachen schienen sich noch nicht anstrengen zu müssen und verstärkten den Druck weiter. Ein leises Summen ging nun von den Schilden aus.
Victoria spürte Jaromirs Verwunderung und sah, dass er in seinem ganzen Leben noch nie so lange gegen seinen Mentor hatte bestehen können.
Die beiden fuhren fort und so langsam wurde es für Jaromir anspruchsvoller. Das leise Summen war zu einem Brummen geworden und die Luft zwischen den Schilden begann zu knistern.
Jetzt zeigte auch Abrexar Verwunderung, aber beide machten weiter. Die Schilde schimmerten leicht bläulich und waren nun auch mit bloßem Auge zu erkennen. Die Frequenz des Brummens stieg mit dem stetig zunehmenden Druck.
Jaromir strengte sich richtig an und das Blau der Schilde wurde intensiver. Auch für den Mentor wurde es jetzt ganz offensichtlich beschwerlich und das spornte seinen Schüler erst recht an: Jaromir mobilisierte noch mal alle Kräfte und erhöhte erneut den Druck auf seinen Schild. Die beiden gewölbten Scheiben waren jetzt lila geworden und Lichtbögen sprangen zwischen ihnen hin und her.
Abrexar legte sich nun mächtig ins Zeug. Jetzt wurde es auch schwer für ihn. Die Schilde verfärbten sich immer weiter ins rötliche und das Brummen war mittlerweile zu einem unangenehm lauten Pfeifen geworden. Dazu kamen die zischenden Lichtbögen, die nun ununterbrochen zwischen den Schilden hin und her zuckten. Der ganze Raum war förmlich mit Energie geladen und Victoria hielt gespannt den Atem an.
Jaromir wuchs regelrecht über sich hinaus, als er den Druck ein weiteres Mal erhöhte. Die Schilde waren jetzt dunkelrot, ein schrilles Pfeifen hing in der Luft und die Lichtbögen waren zu einem funkelnden Goldregen zwischen den runden Scheiben geworden.
Abrexar atmete schwer, wenn auch nicht ganz so schwer wie sein ehemaliger Schüler.
Der hatte nun endgültig sein Potenzial ausgeschöpft und rief im Geiste: „RELINQUO!“
Nun zählten beide gleichzeitig Rückwärts:
„Trēs… duo… ūnus“
Und mit einem Schlag war der ganze Spuk vorbei.
Die Schilde implodierten und mit ihnen verschwanden die Lichtbögen und der ohrenbetäubende Lärm. Beide Drachen schnauften schwer, ansonsten war es totenstill. Sie taxierten einander und wirkten irgendwie schockiert.
Dann jedoch änderte sich die Mimik der Himmelsechsen.
Auch wenn Victoria den Gesichtsausdruck nicht wirklich einordnen konnte, so hatte sie doch das unbestimmte Gefühl, als würden die zwei im Kreis grinsen. Auf alle Fälle spürte sie, dass Jaromir glücklich, stolz und unglaublich überrascht zugleich war. Er musste einfach grinsen und lachte laut im Geiste.
Nach einigen Augenblicken hatten die zwei sich wieder genug in der Gewalt, um sich in Menschengestalt verwandeln zu können. Sie lachten, umarmten sich und klopften einander auf die Schultern.
Abrexar wischte sich Tränen aus den Augenwinkeln, als er triumphierend rief: „Mann, Jaro! So eine Kraftprobe hat diese Welt lange nicht gesehen! In all den vielen Jahren meines Lebens war ich entweder selbst nicht stark genug oder meinte Kontrahenten waren schwächer. Wahnsinn! Wirklich der absolute Wahnsinn!“
Auch
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