Haltlos
„Das will ich wohl meinen! Ich habe Jaromirs Ausführungen anfangs keinen Glauben schenken wollen. Ich dachte, er würde dich schützen wollen und deshalb dick auftragen. Aber Victoria, so ein Talent wie deines gibt es sehr, sehr selten. Ich bin sicher, dass du zu einer Handvoll Großmagiern weltweit gehören würdest, wenn die Menschen heute noch in Magie ausgebildet würden. Durch die Verbindung mit Jaromir wirst du noch stärker werden und das meine Liebe, das ist wirklich sehr außergewöhnlich! Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es schon mal einen solchen Fall gegeben hat, aber das wird Hoggi wissen.“
Abrexar und Jaromir sprühten jetzt regelrecht vor Begeisterung, aber Victoria wurde das ganze Gerede langsam zu viel. „Wer ist dieser Hoggi überhaupt? Wenn er sich schon so gut mit mir und meinesgleichen auskennt, will ich wenigstens wissen, wer der Typ ist.“
Abrexar hatte noch nicht mitbekommen, dass sie sich überfordert fühlte und plauderte munter weiter: „Der gute Hoggi ist ein alter Freund von mir und mit alt meine ich wirklich alt. Ich kenne diesen weißen Drachen schon mein ganzes Leben lang und selbst in meiner Kindheit war er schon sehr alt. Eine Zeit lang war ich sogar sein Schüler. Er lebt zurückgezogen und ist extrem wissbegierig. Er studiert alles Mögliche und erfindet laufend neue filigrane Zauber. Du würdest ihn bestimmt mögen. Und er dich. Ach, mögen trifft es nicht ganz: Er wäre begeistert von dir! Er sammelt nämlich Raritäten aller Art und so jemanden wie dich hat er unter Garantie in den letzten Jahrhunderten nicht zu Gesicht bekommen. Mal ehrlich – mit entsprechender Ausbildung könntest du es auch ohne Drachengefährten mit einem von uns im Kampf aufnehmen! Ha, ha!“ Abrexar lachte und klatschte begeistert in die Hände.
Victoria hingegen war gar nicht nach Lachen zumute. Sie hatte das Gefühl, als hätte man ihr ein Paar viel zu große Schuhe angezogen und erwartete nun auch noch, dass sie perfekt darauf laufen konnte. Sie wollte kein ungewöhnlicher, supermächtiger Großmagier sein. SIE wollte nur normal sein. Das war eigentlich alles, was sie in den vielen Jahren auf der Schule immer gewollt hatte, wenn sie wegen ihrer Liebe zur Mathematik komisch beäugt und gehänselt wurde. Verzweifelt flüsterte sie: „Aber ich will es doch gar nicht mit einem von euch aufnehmen.“
Abrexar war irritiert. Dann begriff er, was in Victoria vorging und wurde ernst. Er sah sie traurig an. „Das wirst du aber sehr wahrscheinlich müssen, oder du und Jaromir, ihr werdet beide sterben.“
Plötzlich regte sich das Misstrauen bei Jaromir wieder. Die Luft flirrte leicht um ihn herum, als er sagte: „Ich dachte, du wolltest uns helfen und uns nicht beim Großen Rat melden!“
Schnell hob der Mentor beschwichtigend die Hände. „Ich schwöre bei meinem Leben, dass ich das niemals tun werde.“
Er öffnete seine Gedankenvorhänge und beide konnten sehen, dass er die Wahrheit sprach. Dann fügte er hinzu: „Aber selbst wenn Victoria ab heute keinen einzigen Zauber mehr wirken würde und ihr hier so unauffällig wie nur irgend möglich leben würdet – ihr wollt trotzdem zusammen sein und allein das wird auffallen. Denkt doch nur an Lenir und mich. Durch irgendeinen blöden Zufall werden die Goldenen eines Tages von euch Wind bekommen. Vielleicht nicht heute oder morgen. Dann aber in drei Monaten oder in zehn Jahren...
Und was macht Victoria mit ihren Eltern und Freunden? Sie wird nicht mehr altern, wenn die Verbindung erst komplett ist. Irgendwann werdet ihr zwei hervorstechen und dann werden die anderen Drachen auf euch aufmerksam.“
Victoria gab die Hoffnung nicht auf. „Aber, ich bin doch nicht böse und ich will auch niemandem etwas wegnehmen. Kann man das den anderen Drachen nicht verständlich machen? Schließlich gab es doch auch früher schon Gefährten. Wir wollen doch einfach nur zusammen vor uns hinleben und niemanden stören“
„Genau“, nickte Jaromir zuversichtlich, „die Goldenen sind weise und wollen nur das Beste für ALLE Drachen. Sie werden erkennen, dass wir keine Gefahr darstellen.“
In Abrexars Augen spiegelte sich Resignation und seine Gesichtszüge waren hart, als er bedrohlich leise widersprach: „Jaromir, die Goldenen sind vor allem machtgierig, verschlagen und intrigant. Sie spielen ihre Rolle als Wohltäter aller Drachen nur, weil ihnen das nützt und sind vor allem auf ihren eigenen Vorteil bedacht.“
Jaromir schien aus allen
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