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Haltlos

Haltlos

Titel: Haltlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Benden
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fluchend auf dem Rollwagen landete. Das Gefährt setzte sich in Bewegung und stieß den Professor an. Die Bücher des Professors fielen zu Boden, aber er selbst stürzte sich geschickt mit einer Hand an der Fahrstuhlrückwand ab, um Victoria nicht zwischen sich und der Rückwand einzuquetschen.
    Er berührte fast ihre Haare. Seine warmen, braunen Augen waren nur wenige Zentimeter von ihren entfernt.
    Sie bekam eine Gänsehaut und es schien ihr, dass die Luft zwischen ihr und dem Professor vor elektrischer Spannung nur so knisterte.
    Wie bei ihrer ersten Begegnung hatte sie plötzlich das Gefühl, woanders zu sein. Es war derselbe Raum, den sie diesmal als großzügiges, helles Wohnzimmer eines Schlosses oder etwas ähnlichem erkannte. In einer Ecke brannte ein Feuer in einem hohen Kamin, geschmackvolle Kronleuchter hingen von der Decke und Wandteppiche und Gemälde schmückten die Wände. Der Raum war nicht protzig eingerichtet, eher edel-elegant, aber eben mit einer Qualität, die sich nur gut betuchte Menschen leisten konnten.
    Jaromir Custos Portae fasste gerade mit beiden Händen zärtlich ihr Gesicht und zog es zu sich heran.
    Bevor er sie küssen konnte, stand Victoria wieder schwankend im Fahrstuhl.
    Die Luft um sie herum schien zu brennen.
    Custos Portae schaute sie fragend an. In seinem Blick sah sie auch Unsicherheit und so etwas wie die Bitte um Entschuldigung.
    Sie war noch nicht wieder ganz bei sich. Das einzige, was sie sehnsüchtig denken konnte, war: „Warum hat mein Tagtraum gerade jetzt aufgehört?!“
    Aus dem Blick des Professors verschwand die Unsicherheit. Stattdessen sah sie sein schalkhaftes Grinsen gemischt mit Erstaunen und Neugier.
    Er hatte sein Gleichgewicht wiedergefunden und sagte freundlich: „Entschuldigen Sie bitte vielmals, Frau Abendrot! Ich hoffe, ich habe Sie nicht belästigt.“
    Dann drehte er sich zum Hiwi um. In diesem Moment öffnete sich auch schon die Fahrstuhltür.
    Der Hiwi war gerade dabei, sich wortreich zu entschuldigen und schob den Rollwagen ungeschickt aus dem Fahrstuhl, als der Professor sehr nah an ihn herantrat und streng fragte: „Junger Mann, wie heißen Sie und für welchen Professor arbeiten Sie?“
    Der Hiwi stotterte: „Mmmmartin Huber. Und… und Professor Dieck hat mich eingestellt.“
    Martins Körperhaltung konnte man nur noch als panisch beschreiben. Die Furcht stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.
    Als der Professor endlich nickte, machte der junge Mann sich mit seinem Rollwagen fluchtartig aus dem Staub.
    Victoria bekam das Ganze wie durch einen Dunstschleier mit. Nur langsam wurde sie wieder klar im Kopf. Wenn das Glücksgefühl bei ihrer ersten Begegnung schon unglaublich gewesen war, dann war das hier gerade mindestens eine Zehnerpotenz mehr.
    Jaromir Custos Portae schaute sie prüfend an. „Geht es Ihnen gut, Frau Abendrot?“
    „Genau genommen könnte es mir nicht besser gehen!“ , dachte sie betrunken. Bestimmt lächelte sie gerade selig.
    Langsam bekam Victoria wieder Boden unter den Füßen. „Doch, es geht mir gut. Mir war nur etwas schwindelig.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ist ja nichts passiert.“
    Er lachte: „Haben Sie wieder nichts zu Mittag gegessen?“
    Victoria grinste verlegen. „Ehrlich gesagt, nein. Aber es wird schon gehen. Nach der Stochastikübung bin ich mit meinen Freunden in der Mensa verabredet.“
    Custos Portae bedachte sie mit einem Blick, der den Riesenschwarm Schmetterlinge in ihrem Bauch in Aufregung versetzte. „Na dann, viel Spaß mit der Wahrscheinlichkeit. Wir sehen uns ja morgen wieder.“ Er lächelte sie noch einmal charmant an.
    „Ja, bis morgen“, sagte sie schwach und dann hatte der Professor sich auch schon umgedreht.
    Victoria verließ den Fahrstuhl.
    Gleich um die Ecke waren die Damentoiletten. Sie betrat den Raum, ging in eine der Kabinen und verriegelte die Tür. Dann lehnte sie sich mit dem Rücken an die Tür und schloss die Augen.
    Sie bemühte sich, ruhig zu atmen, aber das wollte ihr nicht richtig gelingen. „Was war denn das jetzt schon wieder?“ Unglaublich war noch stark untertrieben!
    Custos Portae war ihr noch nie so nahe gewesen. Und sie musste zugeben, dass er wirklich nicht schlecht aussah. Entsprechend seines Typs kleidete er sich sportlich, eher unauffällig, aber alles andere als billig. Und wie sie soeben festgestellt hatte, roch er auch noch gut.
    „Hör auf Victoria, hör sofort auf damit! Er ist dein PROFESSOR!“
    Die Schmetterlinge in ihrem Bauch

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