Der große Sprung
1.
Über die Klüfte zwischen den Welten, von einem zum anderen Ende des Sonnensystems, das unter dem geschichtlichen Ereignis erzitterte, verbreitete sich das Gerücht: Jemand hatte den großen Sprung geschafft! Jemand war zurückgekehrt!
Raumfahrer in den Kneipen Hunderter von Häfen sprachen von kaum etwas anderem, genau wie die Passanten auf den Straßen. Jemand hatte ihn gewagt – den großen Sprung – und war zurückgekehrt! Das letzte Schiff – Ballantyne und seine Mannschaft. Man sagte …
Ja, viel erzählte man sich darüber, Widersprüchliches, Phantastisches, Unmögliches, Atemberaubendes. Doch es waren alles nur Gerüchte, über die sich nichts Näheres erfahren ließ, denn die, die Genaueres wußten, schwiegen sich aus. Und dieses unverständliche Schweigen war allgewaltig wie die Stille der endlosen Leere um das Eiland Sonne. Drückend war dieses Schweigen, doch ihm lauschte Arch Comyn, nachdem ihm die Worte nicht viel gesagt hatten. Am stärksten schien das Gerücht einer imaginären Linie zwischen der Umlaufbahn Plutos und dem Mars auszugehen. Und am tiefsten war das Schweigen um den Mars.
Also flog Comyn zum Mars.
»Tut mir leid, aber Sie brauchen einen Paß«, sagte die Wache am Haupttor.
»Seit wann?« fragte Comyn.
»Seit ein paar Wochen.«
»Tatsächlich? Welche Geheimnisse hat die Cochrane-Gesellschaft denn plötzlich zu verbergen?«
»Es sind nicht nur wir, bei den anderen Raumfahrtlinien ist es nicht anders. Zu viele Schnüffler in letzter Zeit, die dumme Fragen stellen. Wenn Sie geschäftlich hier zu tun haben, brauchen Sie nur einen Antrag stellen, dann bekommen Sie Ihren Paß. Wenn nicht, haben Sie hier nichts verloren.«
Comyn warf einen flüchtigen Blick auf das verschlossene Tor und dann auf das Wachhäuschen aus Stahl und Glassit mit den Kontrollen.
»Schon gut«, sagte er schließlich. »Deshalb brauchen Sie mir nicht gleich grob zu kommen.«
Er drehte sich um und kehrte zu seinem Leihwagen zurück. Langsam fuhr er auf der Betonstraße zu der neuen absolut irdischen Stadt, sechs Kilometer entfernt. Hier draußen in der offenen Wüste blies der kalte Marswind dünn und trocken und trug Staub mit sich. Der rote Streifen am fernen Horizont wirkte unter dem dunkelblauen Himmel nackt und trostlos.
An der ersten Seitenstraße bog er ab. Sie führte zum Frachttor des Raumhafens, der sich jetzt wie ein kauerndes Ungeheuer zu seiner Linken erstreckte, mit seinem Gebäudekomplex und den Kilometer um Kilometer von Lagerschuppen rund um den Verladehafen. Selbst aus dieser Entfernung war das Firmenzeichen der Cochrane-Gesellschaft – neun Kugeln, die für die Planeten standen – auf dem hohen Kontrollturm zu erkennen.
Auf halbem Weg zwischen der Hauptstraße und dem Frachttor, außer Sicht von beiden, fuhr Comyn den Wagen vorsichtig in den Straßengraben. Er stieg aus, ließ die Tür hinter sich offen und setzte sich in den Staub. Außer der Gesellschaft benutzte niemand diese Straße. Er brauchte also nur zu warten.
Der Wind blies müde, schleppend, traurig wie ein Greis, der in der Wildnis die Städte seiner Kindheit suchte – die prächtigen Städte, die einst gewesen waren, doch die es nun nicht mehr gab. Der rote Staub kräuselte sich um Comyns Füße. Reglos, mit der Geduld einer Katze vor dem Mauseloch, blieb er wartend sitzen.
Zwei Tage und Nächte habe ich mich in den verfluchten Kneipen hier herumgetrieben und die Ohren gespitzt, aber es war alles für die Katz, wenn man von dem absah, was der Betrunkene erzählt hat. Wenn es nicht stimmt …
Motorengeräusche waren zu hören. Ein Lastwagen mit dem Cochrane-Zeichen kam aus der Stadt. Comyn streckte sich im Straßenstaub aus.
Der Wagen kam heran, brauste vorbei, dann kreischten die Bremsen, und er fuhr im Rückwärtsgang zurück. Der Fahrer stieg aus. Er war ein junger Bursche, groß und kräftig und vom Marswind dunkelgebräunt. Er beugte sich über den Reglosen am Straßenrand.
Comyn schoß hoch und schlug ihn nieder.
Doch so leicht ließ der Fahrer sich nicht ausschalten. Wütend wie ein Stier kam er auf die Beine. Erst ein zweiter heftiger Faustschlag schickte ihn schlafen. Comyn zerrte ihn hinter den Wagen und durchsuchte seine Taschen. Er fand den Paß. Comyn lieh sich den Overall aus und die breite Mütze mit dem grünen Schirm, der wenigstens ein bißchen gegen die Wüstensonne schützte. Dann setzte er den Burschen in den Wagen, wo er sicher aufgehoben sein würde, bis er aufwachte oder jemand
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