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Haltlos

Haltlos

Titel: Haltlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Benden
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ohne recht zu wissen, was sie tat, schlüpfte sie durch Jaromirs Gedankenfenster. Gerade war er dabei, den Vorhang auf und wieder zu zuziehen und sie beobachtete ihn genau. „Jetzt hab’ ich’s endlich kapiert! Das ist ja voll simpel.“
    Sie hatte es noch nicht ganz zu Ende gedacht, da bemerkte sie, wie Jaromir erstarrte und sich seine übermenschliche Macht manifestierte.
    Blitzschnell zog sie sich aus seinem Kopf zurück. Wenn sie in seinem Geist war, konnte sie sein wahres Ich spüren. Auch wenn er eine humanoide Gestalt annahm, so war er doch kein Mensch und nie war ihr das bewusster als in diesem Moment.
    Er schaute sie mit einer Mischung aus Abwehr und Erstaunen an und fragte dann scharf: „Du warst schon wieder in meinem Geist?!“
    Sie war selbst erschrocken. „Das war keine Absicht. Ich konnte von außen nicht richtig erkennen, was du gemacht hast und ehe ich mich versah, war ich auch schon drinnen… Da konnte ich das Abschirmen aber wirklich viel besser beobachten“, fügte sie leise hinzu. Seine heftige Reaktion war ihr nicht geheuer.
    Er sah sie erstaunt an. „Wie machst du das?“
    Sie zuckte hilflos mit den Schultern. „Keine Ahnung! Ich weiß wirklich nicht, wie ich das anstelle.“
    Er hatte sich wieder beruhigt und lächelte sie entschuldigend an. Dann streckte er seine Hand nach der ihren aus und sagte: „Victoria, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich bin es nur einfach nicht gewohnt, dass sich jemand in meinen Kopf schleicht und ich das erst bemerke, wenn dieser jemand sich lautstark äußert.“
    Ein angenehmes Kribbeln breitete sich von ihrer Hand aus und sie lächelte ebenfalls. „Jedenfalls habe ich jetzt verstanden, wie ich mich abschirmen kann. Siehst du?“
    Stolz zog sie Vorhänge vor alle Gedankenfenster. Gleichzeitig schickte sie ihren Geist aus, um seine Reaktion zu beobachten.
    „Unglaublich, sie hat es tatsächlich geschafft. Sie lernt schnell – verdammt schnell! Wie kann das sein?“
    „Das weiß ich auch nicht“, antwortete Victoria auf seine unausgesprochene Frage.
    Er war irritiert. „Wie jetzt? Du hast dich abgeschirmt und gleichzeitig meine Gedanken gelesen?“
    Sie schaute ihn unschuldig an. „Ja. Ich wollte doch wissen, was du von meinem ersten richtigen Versuch hältst!“
    Jetzt lachte er fassungslos. „Das glaube ich einfach nicht!“ Er schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn.
    „Habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte sie verunsichert.
    Er schüttelte noch mal entgeistert den Kopf und sprach dann mehr zu sich selbst: „Sie lernt an einem Tag Gedankenlesen, Anklopfen und sich unbemerkt in einen fremden Geist schleichen. Dann schirmt sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben ab und spioniert mich GLEICHZEITIG aus und fragt dann, ob sie etwas falsch macht!!!“
    Er sah sie mit seinen warmen, braunen Augen an. „Victoria, auch wenn ich mich jetzt wiederhole: Du bist einfach unglaublich! Ich habe noch nie jemanden wie dich getroffen.“
    Sie übten noch eine Weile das Abschirmen. Jaromir betonte, dass es sehr wichtig sei, die Vorhänge geschlossen zu halten und gleichzeitig andere Dinge tun zu können. „Es muss dir so selbstverständlich werden wie das Atmen. Darauf achtest du ja auch nicht weiter – du tust es einfach.“
    Dann nahm er sich Papier und Stift und begann mit der Geometrievorlesung, die er bereits für Montag vorbereitet hatte. Victoria gefiel der Privatunterricht noch mehr als sie erwartete hatte, denn hier konnte sich Jaromir an ihr Tempo anpassen und so kamen sie schnell voran.
    In der ersten halben Stunde versank sie so in der Mathematik, dass der Professor sie immer wieder daran erinnern musste, ihre Gedankenfenster zuzuziehen. Dann wurde es langsam immer besser. Eine halbe Stunde später waren sie mit dem Stoff fertig und in den letzten zehn Minuten hatte er sie nicht mehr erinnern müssen.
    Er lächelte sie an. „Das läuft doch schon ganz gut.“
    Sie strahlte. „Ja, es fällt mir immer leichter, alles dichtzumachen ohne darüber nachdenken zu müssen.“
    Dann schaute sie ihn ernst an. „Aber während dieser Übung ist mir ein Gedanke gekommen.“ Sie öffnete die Vorhänge bewusst wieder. „Was machen wir mit der Uni? Meinst du, wir können das mit uns erst mal geheim halten? Ich meine, du bist immerhin mein Professor. Ich kann wohl kaum mit dir zusammen sein und am Ende des Semesters die Klausur bei dir schreiben.“
    Er antwortete leise: „Darüber habe ich auch schon nachgedacht und ich glaube, du hast recht, auch

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