Haltlos
erst abschirmen, wenn du mir das auch beigebracht hast.“
Er lachte. „Dann würde ich vorschlagen, wir machen nach dem Essen noch ein paar Übungen, die nichts mit meiner Selbstbeherrschung zu tun haben.“
Sie nickte und strahlte ihn an. Er führte sie zu einem der beiden Plätze und rückte ihr galant den Stuhl zurecht.
Sie hatten sich gerade gesetzt, da betrat Albert auch schon den Raum. Er servierte einen kühlen, spritzigen Weißwein und platzierte zwei Teller mit silbernen Hauben vor ihnen. Dann hob er die Hauben gekonnt herunter und verkündete stolz: „Geklärte Spargelsuppe mit Fleischklößchen nach Art des Hauses und dazu frisches, selbstgebackenes Brot.“
Es duftete vorzüglich und während Jaromir und Victoria sich lächelnd zuprosteten und mit dem Essen begannen, verließ Albert diskret den Raum.
Die Suppe und das Brot waren wirklich ein Gedicht und der Weißwein perfekt darauf abgestimmt. Sie genossen das Essen und unterhielten sich entspannt.
Nach ein paar Minuten klopfte Victoria vorsichtig an Jaromirs Gedankenfenster an und fragte: „Ob es wohl unhöflich wäre, wenn ich zur Übung versuchen würde, Alberts Gedanken zu lesen?“
Prompt kam seine amüsierte Antwort: „Er wird definitiv nicht damit rechnen, dass du so etwas kannst. Da er aber weiß, dass ich seine Gedanken hören kann, wird er an nichts denken, was ihn oder mich kompromittieren könnte. Fairer könntest du wohl kaum einen Kandidaten für deine Übungen aussuchen.“
Wenige Minuten nachdem sie mit der Suppe fertig waren, kam Albert auch schon wieder und trug den ersten Gang ab.
Victoria konzentrierte sich und suchte nach dem unbekannten Gedankenmuster. Es fiel ihr nicht schwer, es zu finden und so spähte sie in Alberts Geist.
Er war sehr emsig und schon mit dem nächsten Gang beschäftigt. Als er jedoch die leeren Suppenteller sah, freute er sich. „Es scheint den beiden geschmeckt zu haben! Von Jaromir weiß ich ja, dass er Spargel mag, aber bei Frau Abendrot war ich mir nicht sicher. Wie schön, wie schön, wie schön“ , dachte er heiter.
Victoria zog sich von seinem Geist zurück und sagte: „Albert, ich muss Ihnen wirklich sagen, wie gut mir Ihre Spargelsuppe geschmeckt hat!“
Albert freute sich, war aber auch gleichzeitig beschämt über das Lob und verneigte sich. „Vielen Dank.“
Nun sagte auch Jaromir: „Albert, du brauchst nicht so bescheiden zu sein. Du bist einfach ein sehr guter Koch. Ich freue mich jetzt schon auf den Hauptgang und den Nachtisch.“
Albert wurde nun rot im Gesicht und verneigte sich nochmals verlegen. Aber als er den Raum verließ, glänzten seine Augen. Er war es einfach nicht gewohnt, Anerkennung vor anderen Menschen zu bekommen.
Jaromir sah Victoria an. „Alberts Bescheidenheit ist echt. Überhaupt spielt er mir fast nie etwas vor und wegen dieser Ehrlichkeit mag ich ihn so.“
Die beiden nächsten Gänge waren ein kulinarischer Traum. Als Hauptgericht gab es Fasan auf Balsamicoschaum mit wilden Heidelbeeren, jungen Möhren und Kartoffelrösties. Äußerst delikat! Aber der Nachtisch stellte alles in den Schatten: Es gab selbstgemachte Panna Cotta auf einem Himbeerspiegel und dazu ein paar Blättchen frische Minze mit Puderzucker überstäubt. Das zerging auf der Zunge…
Victoria war begeistert und löffelte genießerisch das letzte bisschen Fruchtsauce auf. „Dieses Essen ist der absolute Wahnsinn! Albert muss das Kochen wirklich lieben – ansonsten könnte er so etwas nicht auf die Teller bringen… Oh, nein! Ich glaube, ich kann nie wieder in der Mensa essen. So ein Mist!“
Jaromir lachte leise. „Vielleicht solltest du mich öfter besuchen. Das hätte dann auch den Vorteil, dass du regelmäßig essen würdest.“
Sie lächelte. „Das ließe sich bestimmt einrichten.“
Nach dem Essen gingen die beiden wieder in den weißen Salon und Victoria war wirklich froh, der düsteren Atmosphäre des Speisezimmers zu entkommen.
Sie setzten sich auf das bequeme Sofa und Jaromir erläuterte ihr ausführlich, wie sie ihren Geist abschirmen konnte. Doch Victorias Versuche blieben ohne Erfolg. Sie verstand einfach nicht, wie sie das zu Stande bringen sollte.
Irgendwann bat sie Jaromir, es ihr einmal vorzumachen. Sie schickte ihren Geist zu seinem und beobachtete genau, was er da tat. Von außen konnte sie nicht so recht erkennen, wie er es schaffte, einen Vorhang vor das Fenster zu ziehen.
„Das müsste ich von drinnen doch viel besser sehen können“, dachte sie und
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